Freitag, 16. Oktober 2015

Omnigo Windschutz, Version 2

Auf der Suche nach einem Ersatz für unseren Gaskocher, stiess ich 2011 auf den Dometic Origo, der mit Brennsprit läuft. Dieser hat im Wesentlichen ein bewegliches Teil und ist insofern praktisch 100% ausfallsicher. Er ist aber auch etwas leistungsarm, sodass ich 2013 einen zweiten Dometic Origo kaufte und dessen Innenleben durch einen Primus Omnifuel Brenner ersetzte LINK und diesen Omnigo nannte.

Da wir vornehmlich draussen kochen, musste ein Windschutz her. Diesen konstruierte ich aus 1 mm dicken Alublechen, die sich mit geklebten Supermagneten hauptsächlich am Gehäuse des Origo — aber auch unter sich — festhielten.


Dieser Windschutz erwies sich als nicht sehr praktisch:
  • die Magnete waren zu wenig stark und gaben nach, wenn man beim Kochen unsorgfältig hantierte
  • die Alubleche mussten nach jedem Gebrauch rüttelsicher verpackt und beim nächsten Gebrauch wieder ausgepackt und eher umständlich zusammengesetzt werden
  • beim Kochen mit Stielpfannen musste das ganze Frontelement weggelassen werden
  • der kombinierte Windschutz für beide Kocher (Seite an Seite) ungenügend
Damit waren die zusätzlichen Anforderungen an einen neuen Windschutz gegeben, doch sollte er auch die guten Eigenschaften des Alublech-Windschutzes haben:
  • feuerfest
  • leicht im Gewicht
  • leicht zu reinigen
Ich suchte lange nach einer Alternative, bis ich im Januar 2015 in einem Küchenartikelladen in Junee (NSW, Australien) auf ein Produkt stiess, das anschliessend zum neuen Design führte:


Ein BBQ-Liner wird an öffentlichen BBQs (elektrisch oder mit Gas betrieben) verwendet, wenn der Vorgänger eine "Mohrerei" hinterlassen hat, oder wenn man der Hygiene der Grillplatte nicht traut, oder wenn man die Reinigung der Grillplatte vermeiden will.


Die Recherche im Internet führte uns zu einer Version des BBQ-Liners auf der Rolle (2 Meter lang, 50 cm breit, 0.18 mm dick). Die Folie ist eine Teflon-beschichtete Glasfasermatte, an der praktisch nichts haftet und die sich mit einer Flamme kaum entzünden lässt.

Einfache Alu-Winkelprofile (10x10x1 mm) bilden ein Exoskelett, das die umlaufende Folie (102 x 25 cm) vertikal stützt. Die Folie ist von innen mit Sattlernieten an die Winkel geheftet, damit sich Kochspritzer einfach wegputzen lassen. Damit auch beim Kochen mit Stielpfannen ein optimaler Windschutz resultiert, ist einer der beiden Windschütze mit einem abknöpfbaren Klappe ausgerüstet.



Zum Versorgen werden die drei Druckknöpfe am vertikalen Steg gelöst und das Ganze auf ca. 18 x 25 x 3 cm zusammengefaltet.


Die Folie hält sich ausserordentlich gut. Nach über sechs Monaten Gebrauch (zweimal täglich) zeigt sie noch keine Abnutzungsspuren und ist einzig etwas weniger steif als im Neuzustand. Die neuen Windschütze sind leichter als die alten, rascher montiert und einfacher zu versorgen.

Mittwoch, 7. Oktober 2015

Daueraufgabe: Reparieren

In Englisch gibt es das Sprichwort

When it rains, it pours.
(wörtlich: wenn es regnet, dann schüttet es). Die beste deutsche Entsprechung lautet wohl:

Ein Unglück kommt selten allein.

Genau so scheint es beim Reisen mit einem 4x4-Wohnmobil zu sein. Bereits im Juni hatten wir in Alice Springs ein paar Tage eingelegt, um viele Kleinigkeiten zu reparieren oder zu verbessern: die zwei gebrochenen Halterungen des Klima-Kondensers, die gerissenen Kühlergrilllaschen, den leckenden Hinterreifen, ausgerissene Schrauben der Türriegel, die unzuverlässige Arretierung des Kühlboxauszugs, die zu lose Verzurrung der Campingstühle, die gebrochene Blinkerfassung, etc.

In Boulia bemerkten wir am 10.9., dass das Abblendlicht beidseitig nicht mehr brennt. (Das hatten wir Anfang Mai in Broome schon einmal gehabt, und hatten eine Sicherung im Verdacht, lernten aber, dass im T-Rex die linke und die rechte Lampe separat abgesichert sind und beide waren i.O. Also musste es der Abblendlichtschalter sein. Das erwies sich als voreiliger Schluss: es waren einfach beide Halogenlampen durchgebrannt. Wie lange waren wir wohl schon “einäugig” resp. “blind” unterwegs gewesen?) In Boulia verschoben wir den Kauf von neuen Halogenlampen auf die nächste richtige Stadt, Roma, zehn Tage und 1400 km später.

Am 11.9. erwachte ich nachts, weil der Kompressor unserer Kühlbox (Waeco CF-35) dauernd lief, wo er normalerweise nur eine bis zwei Minuten surrt. Diagnose: die Kühlbox kühlt nicht mehr. Ab da waren wir regelmässige Kunden an der Pub-Bar und an Tankstellen: “A bag of party ice, please!”. Waeco (resp. Dometic) hat in Australien ein erstaunlich dichtes Servicestellennetz, aber nicht im Outback wo die “Städte” 100 oder 300 Einwohner haben.

Am 14.9. hörten wir in der Simpson Desert ein unregelmässig auftretenden, scharfen, metallischen Schlag im Verteilergetriebe. Es stellte sich nach etwas Beobachtung heraus, dass der Schlag dann auftrat, wenn das Zentraldifferential gesperrt war und unter Last kam (z.B. in engen Kurven auf etwas festerem Sand). Diagnose: der Hydraulik-Druckzylinder der Zentraldifferentialsperre rückt nicht mehr vollständig ein. Die Sofortmassnahme war ein Spannset, die permanente Lösung wird der Ersatz des Druckzylinders oder mindestens der Dichtung sein.


In Roma kauften wir am 18.9. zwei neue Halogenlampen, aber oha!, die alten waren noch gut. Nach zwei Stunden Teile-Ausbauen und Verbindungen-Messen kam Folgendes zum Vorschein:



Das ist einer der drei Stecker der elektr. Steuerung in der Lenkradkonsole, die Licht, Hupe, Scheibenwischer, etc. steuert. Der Pin, der die Versorgung der Abblendung mit Strom sicherstellt, war so heiss geworden, dass der Plastik schmolz; sogar die Kabelhüllen der andere Pins hatten sich verfärbt. Hier musste es kräftig und wohl länger gefunkt haben. (Am Cape York hatten wir einmal angehalten, weil wir einen beissenden Geruch wahrnahmen, konnten die Quelle aber nicht orten und dachten, dass der Motor wohl Russ im (nicht existenten) Partikelfilter abbrennen will, wie wir das auch schon hatten.) Wie kann so etwas passieren? Ich weiss es nicht!

Der Kontaktstift auf der Platine war zwar angelaufen, schien aber i.O. Der Stecker hatte sich allerdings nur mit der grossen Zange abziehen lassen und der fehlbare Kontaktschuh im Stecker war schwarz. Nach einer eingehenden Reinigung schien er wieder zu leiten. So konnte der Fehler nur auf der Platine oder im Abblendlichtschalter selbst sein. Eine gründlichere Untersuchung war notwendig, doch hatte ich gerade nicht die Nerven.

Der entsprechende Kontaktstift ist rot markiert

Neben diesen Ausfällen hatten wir über die vergangenen Wochen bereits mehrere “To-dos” auf die Reparaturliste gesetzt: Hydraulikzylinder für die Hinterachssperre leckt leicht; Dichtungsgummi der Fahrertüre hält nicht mehr; Splinten der Nivellierkeile sind schwergängig; Magnetpumpe der Standheizung fördert zu wenig; Gewindezapfen einer der zwei Katadyn-Filterkartuschen erneut abgebrochen (nachdem wir ihn vor sechs Monaten mit Kunststoffkleber erfolgreich geklebt hatten); Plastikring an unserem Cobb-Grill geschmolzen; ein Magnet des Fliegenvorhangs beginnt auszureissen; Solarventilator stehen geblieben; eine der Haltelaschen unserer Treppe verbogen. Und schliesslich hatten wir die 80’000-km-Marke bereits vor ein paar Wochen überfahren, wo ein grosser Service fällig ist. Deshalb peilten wir Brisbane an, wo es eine IVECO Daily Werkstatt gibt.

Dann kam ein Rettungsengel: Adrian und seine Werkstatt. Adrian und Anna hatten wir 2009 an der Great Ocean Road getroffen. Sie waren 1969 aus dem Züri-Oberland nach Sydney ausgewandert, wo Adrian lange Jahre für Porsche arbeitet. Später zogen sie ins südliche Queensland. Nach ihrer Frühpensionierung genossen sie das Leben an der Gold Coast, ca. 100 km südlich von Brisbane, und “on the road”. Dann, in Alice Springs im Juni, erhielt ich unerwartet eine Email von Adrian: “We saw you passing in your truck today”. Die beiden waren in ihrem IVECO Daily 4x4 auf dem Weg nach Hause. Natürlich trafen wir uns am nächsten Tag, und sie luden uns ein, sie in Gold Coast zu besuchen.


Als ich Adrian von Quilpie aus kontaktierte und schrieb, dass wir in Brisbane einen Service machen und die Kühlbox reparieren lassen mussten, schrieb er postwendend zurück: “I have a workshop where you can stay and we can do the service together. Waeco Headquarters are 20 minutes down the road”. Adrian war nicht überzeugt von der Qualität der IVECO-Vertretung in Brisbane, und da der Motor seines IVECO praktisch baugleich mit unserem ist (EURO5 statt EURO4), hatte er die Erfahrung und alle Werkzeuge, die es für den Service brauchte. Seine Werkstatt war das Paradies.


Auf der Fahrt von Roma nach Gold Coast fügten wir der Reparatur-Liste dann noch einen Schaden dazu: beim Ersetzen der Halogenbirnen in Broome hatte sich eine Gewindehülse der rechten Motorabdeckung aus ihrem Sitz gelöst, doch es ging auch ohne diese Schraube. Bis an jenem Tag, als wir mit 90 km/h bei sehr starkem Seitenwind von rechts (Linksverkehr!) einen Road Train im Abstand von weniger als einen Meter kreuzten. Es gab eine Druckwelle, danach einen enormen Sog. Die Schraube an der vordere Ecke des Deckels blieb standhaft, der Deckel brach aus, kriegte Luft von vorne und klappte nach hinten. Dann riss der Deckel an den vier hinteren Halteschrauben aus— und weg war er. Dank dem Seitenwind purzelte er neben die Strasse, wo wir in ein paar Minuten später bergen konnten, ohne das ein Auto rübergefahren war. Es sah nicht gut aus, denn der Deckel ist aus Kunststoff, und Kunststoffkanten kleben ist so eine Sache …

Die Ausbruchstellen sind rot markiert

Um es kurz zu machen: wir verbrachten drei Tage in Adrians Workshop und konnten die To-Do-Liste fast tilgen. Am Ende bleiben noch die Standheizung und die beiden Hydraulikzylinder. Den grosser Service unter Adrians Anleitung und mit seiner Hilfe auszuführen, war nicht nur lehrreich sondern machte Spass: alle Öle und Filter getauscht (inkl. Luftfilter, den wir 80’000 km mitgetragen hatten und nun nicht mehr ins Ersatzmaterial aufnehmen werden), schmieren (inkl. Schiebstücke der Antriebswellen), Bremsflüssigkeit getauscht, an diversen Stellen das Spiel resp. festen Sitz überprüft, Handbremse nachgestellt, etc.

Alle Öle, alle Filter …

Alter (80'000 km) und neuer Luftfilter

Waeco reparierte die Kühlbox innert 24 Stunden, was eine Kleinigkeit von gut $300 kostete. Nun schätzen wir wieder den Komfort ohne Party-Eis.

In Abendarbeit konnte ich die Verdächtigen für den Ausfall des Abblendlichts entlasten: die Steuerplatine wie auch der Handschalter für das Abblendlicht waren in Ordnung. Auf der Platine befindet sich für jede Steuerfunktion an Licht, Hupe und Scheibenwischer ein kleines Relais. Diese waren alle i.O. Wie stellt man fest, ob ein Relais funktioniert oder nicht, ohne es auszulöten? — Nun, nicht mit letzter Sicherheit, aber man kann den Widerstand der Spule messen (es standen ja genügend Relais zum Vergleich zur Verfügung und der Referenzwiderstand schien 83.5 Ohm zu sein). Wäre ein Kontakt der Spule oder der Draht gebrochen, wäre der Widerstand unendlich gross; wäre die Spule verbrannt, wäre der Isolationslack abgeschmolzen und es läge wohl ein Kurzschluss vor, also nur wenige Ohm — ws wäre schon sehr viel Zufall, wenn der Wiederstand gerade wieder einige Zehntelohm neben dem Referenzwiderstand läge. Dann kann man den Deckel des Relais öffnen, das Relais mit einem kleinen Schraubenzieher von Hand betätigen und die Kontakte ausmessen. Dasselbe für den eigentlichen Handschalter. Es stellte sich am Ende heraus, dass der ausgebrannte Kontaktschuh im blauen Stecker doch keinen Kontakt mehr machte. Da ich keinen identischen Stecker auftreiben konnte, musste ich den Kontakt mit einem neuen Kabel überbrücken. Damit man die Platine weiterhin ohne Löten ausbauen kann, klemmte ich einen Stecker an das neue Kabel und das alte Kabel.




Auch für die Motorabdeckung fand sich eine Lösung (Youtube und ich können fast alles…): der Deckel ist aus ABS Kunststoff. ABS ist ein Thermoplast, lässt sich also erwärmen, neu formen oder schweissen, und wieder abkühlen. Im Bunnings-Baumarkt fand ich Stäbchen aus ABS, die ich mit dem im März neu gekauften Gaslötkolben und Spezialaufsatz schmelzen konnte. Der Aufsatz besteht nur aus gebogenen Blech und hat keine grosse thermische Masse — eine Art kleines Bügeleisen ist, was die Profis verwenden. So war es ein Fingerspitzenspiel und eine Übung in Geduld: ist das Werkzeug zu heiss, verfärbt sich der Kunststoff braun und ist dann wohl nicht mehr ABS; ist es zu wenig heiss, dann schmilz der Kunststoff nicht.

ABS-Stäbchen und Gaslötkolben mit Aufsatz

Ein abgebrochenes Teil von der Rückseite wieder anschmelzen

So liessen sich die abgebrochenen Teilchen auf der Rückseite wieder anschweissen und mit Materialauftrag von den Stäbchen verstärken. Dann verstärkte ich weiter, indem ich kleine Stahlnetzchen (Modell Fliegengitter) auflegte, mit dem heissen Werkzeug eindrückte und mit zusätzlichen ABS zudeckte. Bei der Reparatur schmelzen die ehemaligen Bruchstellen aber nicht bis auf die Vorderseite durch. Hier macht man mit einem zweiten Spezialaufsatz auf der Vorderseite einen Keilschnitt entlang der Naht und füllt die Lücke mit ABS von den Stäbchen auf (fast schon klassisches Schweissen). Das Resultat ist passabel. Es ist wohl unnötig zu sagen, dass Adrian auch das passende Werkzeug hatte, um die fehlende Gewindehülse zu ersetzen. So ist der Deckel jetzt (hoffentlich) wieder tiptop.






Now, we were good to go! Aber es sollte nicht sein: am Vorabend unserer Abfahrt entdeckte ich beim letzten Check, dass die Sikaflexschicht an einer Befestigung unseres zweiten Reservereifens auf dem Führerhausdach eingerissen war. Diagnose: Sikaflex 252 war nur eine teilweise Bindung mit der Roh-Alu-Halterung eingegangen. Wir “profitierten” von der Gelegenheit, gleich beide Halterungen zu entfernen, mit einem Spray-Primer zu behandeln und 15 cm nach hinten zu versetzen. Now, we were good to go!


Ganz herzlichen Dank an Adrian und  Anna für Ihre Gastfreundschaft, for your local knowledge, für all Eure Hilfe und Ratschläge!

Freitag, 25. September 2015

Simpson Desert

Wenn das Nirwana für europäische Bergsteiger der Mont Blanc, das Matterhorn oder der Eiger ist, dann ist das Nirwana für australische 4x4-Fahrer die Canning Stock Route, der Old Telegraph Track oder die Simpson Desert (siehe dazu auch den Eintrag in meinem allgemeinen Australien-Blog). Die Simpson Desert ist ein Gebiet von 176,500 km2 (gut viermal die CH) im Zentrum des australischen Kontinents und wird von Wikipedia als die grösste Sandwüste der Erde bezeichnet. Charakteristisch ist — und dies ganz im Gegensatz zu vielen Dünenfeldern der Sahara —, dass die ca. 1100 Dünen bis zu 200 km lang sind und fast perfekt parallel verlaufen. Der vorwiegend von Westen wehende Wind hat sie auf diese Weise angeordnet und sie auf der Westseite mit einer flacheren Rampe und als auf der Ostseite versehen. Die meisten Dünen bestehen aus einem einzigen Kamm, machmal sind es zwei. Die Dünen sind meist 200 bis 1000 m voneinander entfernt.


  Bei grösserem Zoom werden die einzelnen Dünen sichtbar (+ und – bedienen)

Die nächsten Dünen sind in der Distanz erkennbar

Zum Vergleich: Dünenmeer in Libyen

Das Besondere am Durchfahren der Simpson Desert mit dem 4WD ist die Abgeschiedenheit. Von Mount Dare im Westen nach Birdsville im Osten sind es zwischen 450 und 650 km, je nach Route. Aber während man beim Dünenfahren in der Sahara völlig auf sich selbst gestellt ist und die Linie von Dünenhügel zu Dünenhügel selbst suchen muss, fährt man in der Simpson Desert entlang eines ziemlich ausgefahrenen Tracks*. Zudem ist man eher langsam unterwegs, weil die Piste sozusagen nur aus Löchern und Wellen besteht. Wer jetzt denkt, das sei doch langweilig, der hat wohl recht.

Obwohl die Simpson Desert für uns nicht das Nirwana darstellt, waren wir gespannt, wie es sich anfühlt. Allerdings strebten wir keine Durchquerung der Wüste an, weil uns dies erneut ins Zentrum von Australien geführt hätte, von wo es ein weiter Weg zurück in den Osten ist. Leider verpassten wir dadurch das ikonische Thermalbad in Dalhousie Springs. Wir fuhren von Birdsville einen Tag lang (100 km) in die Wüste hinein und am nächsten Tag wieder zurück. Der interessante Nebeneffekt dieser abgekürzten Variante ist, dass sie die höchsten und — so hat man uns versichert — am schwierigsten zu fahrenden Dünen abdeckt. Nun, es mögen die schwierigsten Dünen der Simpson Desert gewesen sein, aber schwierig zu fahren war nur eine, und die hat sogar einen Namen: Big Red. Es gibt dort im July einen Event, der Big Red Bash, wo kulturelle mit stark benzin- und dieselhaltigen Darbietungen kombiniert werden.



Mit reduziertem Reifendruck (1 bar oder weniger), mit eingelegten Sperren und richtig dosiertem Gas krabbelte Kasbah jeweils in einem Zug über die Krete. Und dies obwohl wir stets die am schwierigsten erscheinende Spur auswählten — es war buchstäblich “a walk in the park” (= einfach), von Osten wie von Westen her. Das Problem — wenn es denn eines gibt — ist, dass viele Simpson-Desert-Durchquerer den Reifendruck nicht genügend absenken und die mangelnde Traktion mit dem Gasfuss kompensieren. Als Resultat graben die Reifen Kuhlen in die Piste, wodurch nachfolgende Fahrzeuge zu wanken beginnen, auch die Traktion verlieren und an denselben Kuhlen weitergraben. So kann man nicht mit Tempo in die Dünen hineinfahren, weil das Fahrzeug sonst sofort abheben würde. Also gibt es nur eines: unten krabbeln und oben, wo der Sand tiefer wird, den Motor kitzeln. An der Big Red verweilten wir etwas länger und versuchten uns an immer steileren und tiefsandigeren Aufstiegen. Woooo-hoooo! Es half, dass wir nur gut 3.5 Tonnen schwer sind und dass unser IVECO-Motor ein kräftiges Drehmoment hat.



Jeannine, Oliver, Kasbah on Big Red




Haben sich die zwei Tage in der Simpson Desert gelohnt? — Unbedingt! Wir waren nicht enttäuscht, dass sich die Dünen so glatt bewältigen liessen. Das Camping im Queensland-Teil (Simpson Desert Nationalpark), für den man den $150 teueren südaustralischen Desert Parks Pass nicht benötigt, war sensationell. Ganz speziell auch, weil wir den Abstecher zusammen mit Jürg und Anne aus Melbourne unternahmen, viel Pausen einlegten, endlos quasselten und die Zeit am Lagerfeuer sehr genossen. Die roten Dünen sind ein Bild für sich!


Jürg, Anne, Rocky on Big Red


Vor dem legendären Birdsville Hotel

Als kleine Anekdote: Jürg und Anna lernten wir in Bedourie kennen, und sie entschlossen sich spontan, mit uns in die Wüste zu fahren. Jürg war unser Bremach mit Berner Nummernschild sofort aufgefallen, da Bremachs in Australien ja äusserst seltene Geschöpfe sind. Denn bereits vor zwei Jahren, als die beiden in Birdville vor die Bäckerei fuhren, stand dort ein Schweizer Bremach: Peter und Susannas “Brech”, die wir bestens kennen. Kleine Welt.


* Das ist mindestens das, was 999 Promille der Durchquerungen tun; es gibt weiter im Norden die Madigan Line, auf der man selbst navigieren muss. Diese kenne und kommentiere ich nicht.

Ein paar Details zur Simpson Desert.

Dienstag, 1. September 2015

Cape York

Die Cape-York-Halbinsel ist der von Cairns nach Norden auslaufende östliche Tropenzipfel Australiens. Das Kap (australisch The Tip) liegt bei 10.5° südlicher Breite. Die Halbinsel wird als “Australia’s last frontier” angepriesen, was so viel heissen soll wie, dass die moderne Zivilisation noch nicht richtig angekommen ist, und dass man dort noch Freiheiten geniessen kann, die andernorts bereits abhanden gekommen sind. Unser Strassennavigationssystem kennt jedenfalls nördlich von Coen keine Strassen mehr.

Von Cairns bis ans Cape sind es 1’000 km zu fahren, wovon nur die ersten knapp 300 km bis Laura asphaltiert sind. Die Halbinsel wird im Norden von den Torres Strait Islanders bewohnt, die vor vielen Tausend Jahren von Norden einwanderten, als der Meeresspiegel viel tiefer lag als heute. Sie sind dukelhäutig, gehören sind aber nicht zur Volksgruppe der Aborigines. Die Halbinsel ist kaum bewohnt, die grösste Stadt ist Weipa an der Westküste, eine Bauxit-Mine mit 3’500 Einwohnern.

Ans Cape fährt man, um an der östlichen Küste den tropischen Regenwald zu besuchen; um via den Old Telegraph Track (OTT) an den nördlichsten Punkt des australischen Festlands zu gelangen; und um von den sensationellen Campingmöglichkeiten zu profitieren.

Cable Beach: Camping am Strand und ohne Nachbarn

Der OTT gilt als eines der letzten wirklichen 4WD-Abenteuer Australiens. In den 1870er-Jahren als Schneise für die Telegrafenlinie von Brisbane nach Asien in den Savannenbusch geschlagen, ist es heute ein sehr abwechslungsreicher 4WD-Track der härteren Art. Ich komme darauf zurück.

Bau der Telegrafenlinie

Old Coach Road

Die Halbinsel hat aber auch noch andere 4WD-Routen zu bieten, die es in sich haben. Im Südwesten zum Beispiel befindet sich die Old Coach Road, die ab den 1880er-Jahren die Stadt Laura mit dem 70 km südlich gelegenen Maytown verband, wo am Palmer River der Goldrausch ausgebrochen war. Die legendäre Cobb & Co zog damals ihre Kutschen durch extrem schwieriges und hügeliges Savannenland nach Mayown. Lindsay, der mit seiner Partnerin Kate ebenfalls auf einer Umrundung Australiens ist, und die wir auf der Gibb River Road (GRR) erstmals getroffen hatten, erzählte uns in Cairns, dass er auf der Old Coach Road “a lot of fun” gehabt hätte. Weil wir geteerte Strassen meiden, wenn es interessantere Alternativen gibt, und weil unser 4WD-Buch den Track beschreibt —und wir uns so nicht gänzlich unvorbereitet ins Abenteuer stürzen mussten —, nahmen wir den Umweg über Maytown. Also links von der Hauptstrasse abgebogen, den Druck in den Reifen auf 2.2 bar reduziert und über eine hübsche wenn auch extrem staubige Kretenstrasse der ehemaligen Goldgräberstadt entgegen. Die Strasse ist sehr breit und frisch präpariert, sodass man sich fragt, was denn da am Ende so Bedeutendes auf einen warten mag — wir fragen uns noch immer …. Maytown, das wussten wir bereits, ist heute nicht mehr existent. Ausser dem kurzen Stück der Hauptstrasse, wo das Trottoir zwar noch steht aber sonst nichts mehr, gibt es nicht mehr viel zu sehen. In der Umgebung hat es zwar noch verrostete Dampfkessel und ausgedientes Gerät, aber das lohnt sich kaum.

Cobb & Co. Postkutsche anno 1888

Kretenstrasse nach Maytown

Gehsteig und Bordstein in ex Downtown Maytown

Das Wegenetz um Maytown herum ist ein Labyrinth, aus dem man zuerst herausfinden muss, um auf die Old Coach Road zu kommen. Durch ein trockenes Flussbett mit weichem Sand, durch tiefe Auswaschungen und über schroffe Felsbänder sucht man sich in der Geländeuntersetzung den Weg nach Norden. Dann wird es felsig, und der Track steigt steiler und holperiger der ersten Krete entgegen. Die Steine werden grösser, die Löcher tiefer, die Auswaschungen breiter und die seitliche Neigung teilweise unangenehm. Zentralsperre und hintere Achssperre tun guten Dienst, um die Räder am leeren Drehen in der Luft zu hindern. Nach einer anstrengenden Stunde ist die erste Höhe erreicht, Aussicht bereichert den Lunchhalt. Der Abstieg ist grob: Felsstufen, Rinnen, Auswaschungen, mehr Seitenneigung und grössere Steinstufen als zuvor. Im ersten Gang hoppelt Kasbah über die Hindernisse langsam dem Tal entgegen. Jeannine muss oft aussteigen, um dem Fahrer zu helfen, die Räder richtig zu platzieren. Einerseits um überhaupt durch die Hindernisse zu kommen, andererseits um die Reifen zu schonen oder gar zu retten, denn das Gestein ist scharf.

Wie üblich geben die Fotos den wahren Schwierigkeitsgrad kaum wieder


Nach weiteren eineinhalb Stunden kommen wir zum “Trilemma”. Die mittlere Option scheidet gleich aus (zu steil), die beiden seitlichen zwingen zu sehr unangenehmen Schräglagen. Der Abstieg hinter dem Hügel sieht noch schlechter aus. Das scheint nahe am Kippwinkel. Zudem sind wir zu breit, um in der Schräglage dem Baum ausweichen zu können. Ein Paar aus Victoria sucht seit dem Vortag einen Weg um diese Passage herum, nachdem ihr Campinganhänger beim ersten Versuch umgekippt war. Bis 22 Uhr haben sie ihn mit der Winde wieder aufgerichtet. Sie kamen von Norden und berichten, dass es 40 km in diesem Stil weitergeht. Wir machen Feierabend und beschliessen am nächsten Morgen: umkehren. Never mind: das gute am Reisen ist, dass wir dort nicht durch müssen. “A bit too much fun!”, werden wir Lindsay berichten.

Jeder der drei Pfade hat seine Tücken 

Die Löcher sind über 80 cm tief

Der Anhänger trug zum Glück keinen grossen Schaden davon

Die neuen BFG A/T KO2 haben's ohne Murren geschluckt

Old Telegraph Track

Der OTT ist nur gut 150 km lang aber wegen der vielen und teilweise sehr tiefen, mit Steinen und Löchern gespickten Wasserdurchquerungen berüchtigt. Es wird deshalb dringen empfohlen, alle Wasserdurchquerungen zuerst zu Fuss zu durchwaten bevor man mit dem Fahrzeug antritt (“if you can’t walk it, don’t drive it” heisst das wichtigste Motto). Der Manager des Archer River Roadhouse machte uns allerdings nochmals darauf aufmerksam, dass wir uns in Crocodile Country bewegen werden, und dass wir zu Fuss nur durch klares Wasser gehen sollten. Danke für den Tipp!

Bis zum Bramwell Junction Roadhouse fährt man auf der Peninsula Developmental Road, eine zweispurige Schotterstrasse mit viel losem Schotter und teilweise heftigem Wellblech. Dann zweigt man links ab und legt sogleich die Geländeuntersetzung ein, denn der Track ist schmal und die Bäume stehen eng. Bereits nach 3 km wartet der Palm Creek, der zu dieser Jahreszeit kein Wasser mehr führt. Aber ohä, hier wird geprüft, wer es ernst meint! Der Abstieg ist zu schmal für uns. Zum Glück gibt es 200 m weiter eine Umfahrung (sogn. chicken line). Auch die hat es in sich, und wir müssen zuerst mit der Schaufel die Einfahrt etwas ebnen, damit wir nicht in zuviel Seitenlage kommen und am Rand streifen. Alle Sperren geschaltet geht Kasbah locker runter und auf der anderen Seite ebenso locker wieder hoch.


Einstieg zum Palm Creek

Runter …

… und wieder hoch.

Den Tipp mit den Krokodilen noch im Ohr kommen wir zum Ducie Creek. Wie tief ist der Tümpel wohl? Gibt es Löcher oder Felsen? Ist der Grund sandig, lehmig oder fest? Trotzdem durchwaten?

Ducie Creek: das Wasser ist alles andere als klar

Selbst im Meer hat es Krokodile

Der OTT wird nicht unterhalten und degradiert so mit jedem Fahrzeug ein bisschen mehr. Oft sind Längs- oder Querrinnen so tief, dass die Wahl der Linie schwierig ist. Wenn eine Passage zu schwierig oder unpassierbar wird, dann bessert jemand die Stelle aus oder legt ein Umfahrung an. Immer wieder wird es sehr schmal, aber es reicht immer irgendwie gerade so, ohne zu Säge oder Astschere zu greifen — das haben offenbar andere vor uns getan. Der Wald ist satt und grün. Es scheinen keinen anderen Fahrzeuge unterwegs zu sein. Nach zweieinhalb Stunden und 30 km schlagen wir am Dulhunty River unser Nachlager auf.

Am nächsten Morgen umfahren wir auf allseitiges Anraten den Gunshot Creek gleich von Anfang an. Es ist kaum zu glauben, aber jede der unten gezeigten Passagen zeigte frische Reifenspuren. Spinner! Später lernen wir einen davon kennen.


Je weiter wir nach Norden kommen, umso mehr Wasser ist in den Bächen. Beim Cockatoo Creek sind die Ein- und Ausfahrt etwas herausfordernder, dafür ist die Wasserdurchquerung einfach. Jeannine nimmt diese und andere Hindernisse mit Bravour. Die Fruit Bat Falls bieten ein erfrischendes Bad. Gleich danach — auf der Karte nur mit ford (Furt) und ohne Namen bezeichnet — die erste tiefe Querung.

Der Track scheint problemlos, und trotzdem ist die Schräglage nichts für schwache Nerven 

Kasbah zeigt hier ganz ordentliche Verschränkung

Fruit Bat Falls (Wassertemperatur ca. 25°C)

Krokodile hin oder her: einfach hineinfahren war keine Option

Am Morgen darauf lockten zuerst die Eliot Falls, dann wurden die Ein- und Ausfahrten wie auch die Wasserdurchfahrten anspruchsvoller. Den nördlichen Teil des Tracks fuhren wir zusammen mit Jeremy und Kathryn und ihrem “Troopy”, was unterhaltend und spannend war. Am Sam Creek entscheiden wir uns gegen die chicken line: die Nase des Fahrzeugs taucht zuerst steil ein, später sackt das Heck mit eingeklapptem Unterfahrschutz in dieselbe Tiefe. Etwas Lack bleibt am harten Lehm zurück.

Canal Creek

Als nächstes wird es noch tiefer

Die Brücke schien nicht sehr vertrauenswürdig

Immer wieder "zirkeln" wir um Hindernisse und eng stehende Bäume

Die kniffligste Stelle war Cannibal Creek. Nicht nur war die Einfahrt sehr steil, sondern auch noch seitlich abschüssig und ausgefahren, sodass wir zuerst etwas mit der Schaufel vorarbeiten. Ist das Fahrzeug einmal im Wasser, wird es rasch tief (gut einen Meter) und auf dem losen Sandboden ist ein Haarnadelkurve nach rechts zu fahren. Der Radeinschlag des Bremach reichte nicht, also zurücksetzen und wieder vorwärts … und einfach nicht stecken bleiben.

Einstieg in den Cannibal Creek: welche Linie fahren?


Jeremys Troopy

Der berüchtigte Nolan’s Brook ist oft die tiefste Wasserdurchfahrt des OTT, so auch für uns. Zahlreiche Zuschauer feuern uns an und applaudieren. Mehrfach waten wir die Passage ab und suchen die beste Route. Kasbah macht einmal mehr, dass das ganze einfach aussieht.

Nolan's Brook: buchstäblich "es Nasewasser"

Dieser Toyota Hilux glich eher einem Boot

Dieses kurze Video gibt ein paar zusätzliche Eindrücke wieder. Viele Schlüsselszenen haben wir weder als Fotos noch als Video dokumentieren können, weil dort die volle Konzentration von Fahrer und Beifahrer / Lotse gefordert war.

Der OTT war ein 4WD-Erlebnis ganz nach unserem Geschmack. Extrem abwechslungsreich, teilweise anstrengend. Fahrtechnisch waren wir oft gefordert, aber nie überfordert. Es machte Spass, die kniffligen Stellen zuerst zu Fuss zu erkunden, eine Linie zu wählen und dann zu versuchen, diese zu fahren. Die Campings waren herausragend. Ohne unseren (Teilzeit-) Schnorchel wäre es nicht gegangen, sodass sich diese Bastelarbeit gelohnt hat. Eine Winde braucht es (im Moment) für die Süd-Nord-Querung nicht; bei einer Nord-Süd-Querung wäre aber der Cannibal Creek ein echtes pièce de resistance geworden.

Ohne Winde wäre es für ihn hier sehr schwierig geworden

Ebenfalls gelohnt hat sich eine Modifikation zur manuellen Steuerung des Kühlerventilators, die wir vor der GRR unternommen haben.

Der tiefste Wasserstand liess sich am Kühlergrill ablesen

Wichtig: vorher und nachher alles abschmieren

Die Rückfahrt nach Süden auf der Developmental Road war mehr oder weniger ereignislos, ausser dass wir wieder zwei schöne Camping Spots fanden, die wir ganz allein für uns hatten. Und — für einmal günstig gelegen —5 km vor Coen bemerkten wir, dass die Halterung für den Ausgleichsbehälter des Hydrauliköls abgebrochen war. Innert 15 Minuten wurde sie in der lokalen Wir-flicken-alles-Werkstatt professionell geschweisst.