Mittwoch, 8. Juni 2016

Mückendicht

Bei der Planung des Wohnaufbaus für unseren Bremach stand von Anfang eine Anforderung fest, die zwingend erfüllt sein musste: der Aufbau musste uns den Schutz bieten, den wir beim Reisen mit dem Velo teilweise vermisst hatten. Und zwar zuerst Schutz vor den Elementen wie Nässe, Kälte, Hitze und Staub. Dann auch Schutz vor Diebstahl. Und ganz wichtig: Schutz vor Insekten. Denn diese können einem z.B. in den Tropen ganz schön das Leben schwer machen. Und da es nie eine Option war, eine Klimaanlange einzubauen, musste der Insektenschutz mit guter Belüftungsmöglichkeit kombiniert werden, denn bei 35°C ist es unmöglich, drinnen zu sitzen und alle Türen und Fenster geschlossen zu halten.

Wir hatten drei Arten von Öffnungen gegen das Eindringen von fliegendem Ungeziefer zu schützen:
  • die Türe
  • vier Fenster
  • das Klappdach
Das Einfache zuerst: für die Fenster bestellten wir bei der australischen Firma Softscreens speziell angefertigte feinmaschige Netzpaneelen (8 mitteldicke Fäden pro Zentimeter) mit aufgenähtem Klett (Velcro). Auf die Fensterrahmen klebt man das Klett-Gegenstück. Fertig. Das funktioniert hervorragend und ergibt zudem einen beschränkten Sichtschutz, nimmt aber auch etwas Licht weg. Aber dank dem Klett sind die Schütze innert Sekunden weg und wieder dran. Einzig der Selbstklebe-Klett auf den Alufensterrahmen verrutscht über die Jahre, weil der Kleber durch Aufheizen der Fensterrahmen etwas weich wird. Aber nach fünf Jahren kann man einen Klett auch mal austauschen.



Die Dachklappe war aufwändiger. Hier nähten wir im Stil der Fensterabdeckungen einen eigenen Schutz aus einem gekauften, feinmaschigen Reisemoskitonetz. Auch dieser Moskitoschutz wird angeklettet. Wichtig ist — und das hatten wir zunächst nicht so —, dass das Netz rund um die Klappe läuft, weil sich sonst beim Scharnier Bereiche ergeben, die ohne einen Stoff mit extremer Dehnbarkeit kaum mückendicht zu kriegen sind.

Netz auch im Bereich des Scharniers (rot markiert)

Netz im hinteen Bereich des Klappdachs

Schlüsselstelle: Türe

Für die Türe bestellten wir bei einer andern australischen Firma ein Insektenrollo nach Mass. Das Rollo wird in Führungschienen nach unten gezogen, wo es sich verriegelt. Zum Öffnen löst man den Riegel mit einer Druckbewegung, und das Rollo “fährt” von einer Feder angetrieben automatisch in den Storenkasten zurück. So weit so praktisch. Es stellte sich aber heraus, dass das Rollo einerseits zu wenig feine Maschen hat, um auch die kleinsten fliegenden Plagegeister abzuhalten, die nachts durch das Kunstlicht angezogen werden. Andererseits dauert einmal Öffnen-und-schliessen zu lange und lässt vor allem das ganze “Tor” offen, was sich bei der Fliegenplage in Westaustralien im April 2015 als unbrauchbar erwies.

Mückenrollo ganz neu: September 2010

So kauften wir in der Not, was wir kriegen konnten: einen Billig-Insektenvorhang mit Magnetverschluss für 13 Dollars. Damit war beim Rein- oder Rausgehen nur noch einen kleine Lücke und für kurze Zeit offen, wodurch nur noch 50 statt 200 Fliegen (sic!) die Chance nutzen konnten. Leider waren auch die Maschen dieses Vorhangs nicht fein genug gegen die ganz Kleinen. Zudem war der Vorhang oben und seitlich angeklettet und wenig elastisch, sodass die Einstiegsöffnung auf ein Dreieck reduziert war. Bei Wind waren die Magnete nicht stark genug, und schliesslich war das Gewebe nicht robust, sodass wir schon bald Löcher und Risse zu flicken hatten.

Selbst ist der Mann und die Frau

Doch nun hatten wir genug gelernt, um die optimale Lösung selbst zu schneidern. Im November 2016 kaufen wir bei Campingprofi in Schlieren einen qualitativ hochwertigen, feinmaschigen Insektenstoff (18 feine Fäden pro Zentimeter) am Meter und nähten daraus einen zweiteiligen Vorhang. Beide Teile sind seitlich und oben mit Velcro befestigt und schliessen sich mit Magnetverschluss.


Um eine grosse Einstiegsöffnung zu ermöglichen, ist der Vorhang oben nicht am Türrahmen angeschlagen (in der folgenden Skizze blau markiert), sondern an der Decke darüber (rot). Dadurch ergeben sich 12 cm mehr Höhe und bereits ein deutlich grösser Öffnung.


Da das Netzgewebe wenig elastisch ist, würden sich die beiden Vorhangteile bei der Gestaltung als flache Paneelen mit Klettfixierung seitlich und oben nur umschlagen aber nicht zurückziehen lassen, wodurch sich die maximale Öffnung auf die Diagonale beschränken würde (Skizze oben, Diagonallinien). Um Flexibilität zum Raffen der Teile in Richtung Türrahmen zu erreichen, haben wir sie als klassische Vorhänge mit je 16 cm Stoffzugabe konzipiert, und mit diesem zusätzlichen Stoff je zwei Falten gebildet. Dadurch kann die Magnetkante bereits weit oben ganz an den Türrahmen herangezogen werden.


Es zeigte sich aber bereits bei der ersten “Anprobe”, dass die Magnete durch den zusätzlichen Stoff in der unteren Hälfte zu viel “Bewegungsfreiheit” haben und sich nicht finden. Auch fällt das Öffnen der geschlossenen Magnete durch Druck im Lot zur Stoffoberfläche schwer, weil man ziemlich weit hineindrücken muss, bis die Magnete die Öffnungskraft erfahren. So haben wir den oben benötigen zusätzlichen Stoff im unteren Teil durch Längsabnäher wieder fixiert. Jetzt ist dort der “Bauch” bei geschlossenen Magneten maximal 5 cm tief.


Durch den zusätzlichen Stoff kann der Vorhang schon weit oben bis an den Türrahmen gerafft werden

Befestigung und Dichtheit

Die beiden Vorhangteile sind oben mit einem 20-mm-Klettband versehen, seitlich mit 10 mm Klett und unten mit einem normalen Vorhang-Bleiband. An der Wand klebt oben ein 40-mm-Klettband, damit wir den Vorhang in der Höhe anpassen können, falls seine Länge wegen Feuchtigkeit oder Alterung variieren sollte; seitlich am Türrahmen reichen 10 mm Klett. Unter dem Bleiband ist ein Stoffsaum von 20 mm, der leicht auf dem Boden aufsteht; dies verursacht einerseits nur geringe Reibungskraft (sodass der Vorhang immer in Normalposition fällt und sich die Magnete nahe genug kommen), schafft aber andererseits eine dichte Lippe gegen die kleinen Viecher.


Unten schliesst ein Saum von 20 mm gegen den Boden ab

Magnetverschluss

Der Magnetverschluss besteht auf jeder Seite aus 10 Balsaholzleisten (10 x 10 x 150 mm), in die mit Araldit je ein oder zwei zylindrische Neodynmagnete (Durchmesser 5 mm, Höhe 8.47 mm, Haftkraft 900g; www.supermagnete.ch) eingeklebt sind.

Die schwarze Markierung auf den Leisten zeigt die Magnetpolung;
der Filzstift ist nur zum Grössenvergleich gezeigt
Es zeigte sich, dass zwei Magnete pro Leiste eine zu grosse Öffnungskraft erfordern, sodass wir jetzt folgende Verteilung verwenden (12 Magnete pro Seite):

Jeder Strich stellt eine Balsaholzleiste dar, jeder Punkt einen Magneten

Die Balsaleisten sind in einen passgenauen Stoffkanal eingeschoben, wo sie nicht weiter fixiert sind und sich gemäss den wirkenden Kräften (Gravitation, Biegung der Kante beim Zurückschieben des Vorhangs) platzieren.

Fazit

Der neue Moskitovorhang besteht aktuell gerade im Pantanal in Brasilien einen Härtetest. Hier hat es sowohl extrem viele Moskitos wie auch winzige Fliegetierchen, die durch kleinste Lücken finden. Unsere Konstruktion bewährt sich, und die Insekten, die trotzdem reinkommen, nutzen ihre Chance, während wir rein- oder rausgehen. Der Vorhang hat sich überdies noch nie durch den Wind geöffnet — man muss aber beim Schliessen bei Wind manchmal etwas nachhelfen, damit sie die Magnete finden. Sonst schliessen sich die beiden Teile zuverlässig mit einem zwölfmaligen leichten Klack-Geräusch. Yeah!

Für grundsätzliche Design-Überlegungen zu Mückenschutz an Türen, siehe hier.