Montag, 29. September 2014

Das selbstreinigende Auto

Als unser Bremach im März 2010 in Melbourne ankam, wurde er von einem Quarantäne-Offizier zuerst einmal gründlich inspiziert. Das Fahrzeug hatte aber gerade einmal 2000 km auf dem Tacho, war nur im Schnee und auf Asphalt bewegt worden, sodass es — ausser etwas Salzablagerungen — keine Rückstände gab, und erregte keinen Anstoss. Das unschuldige Ganzkörperweiss mag seinen Teil dazu beigetragen haben.



Australien hat bekanntlich schon viele sehr schlechte Erfahrungen mit eingeschleppten Pflanzen und Tieren gemacht (list of introduced species). So trampeln über 1 Mio. Kamele durchs Outback, über 200 Mio. Kaninchen haben im Süden die Landschaft für immer kahlgefressen, der Feigenkaktus hat Landwirtschaftsfläche so gross wie die Schweiz überwuchert, etc. Da ist es mehr als verständlich, dass die Behörden versuchen, neuen Schaden zu verhindern, indem sie alle importierten Waren aufs Gründlichste untersuchen und gegebenenfalls "Abdampfen" verordnen.

Wenn wir Kasbah nun erneut nach Australien schicken, ist die Situation herausfordernder:




Natürlich war der meiste Dreck australisch, aber der Biosecurity-Officer wird ihn nicht als solchen erkennen resp. anerkennen. Als Massstab für seine Beurteilung gilt die Bestimmung «vehicle must be clean». Und damit dies nicht allzu leichtfertig interpretiert wird, gibt es eine Fussnote dazu: «clean means clean as new». Damit wussten wir, was zu tun war.

Nur, wie kriegt man den Unterboden eines fünfjährigen, geländeerfahrenen Fahrzeugs zurück in den Neuzustand?

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Dazu braucht es vier Zutaten:

  1. Einen potenten Hochdruckreiniger
  2. Einen Fahrzeuglift für 3.5 t
  3. Einen aggresiven Teilereiniger
  4. Gutes Licht, ein scharfes Auge und Beharrlichkeit
Zu 1.
Warmes Wasser ist von Vorteil, eine kurze Lanze auch, mit der man in die Winkel hineinkommt

Zu 2.
Die Kombination von Hochdruckreiniger und Fahrzeuglift für mindestens 3.5 t ist nicht einfach zu finden. Ohne Lift hat man kaum eine Chance, alle Stelle zu entdecken und zu erreichen. Am Ende mussten wir uns mit einem Lift für Personenwagen behelfen. Herzlichen Dank der Garage Bruno Probst in Murten!




Zu 3.
Dieser Reinigung von gut zwei Stunden ging eine Grundreinigung von gut 30 Minuten mit scharfem Zeug voraus. Das verwendete Mittel war ein sogn. Teilereiniger und hat einen pH von ca. 13.5, ist also hochätzend. Einsprühen, 10 Minuten einwirken lassen, abspritzen. Wer sich noch an die Werbung für Clearasil Anti-Pickel-Waschlotion aus den 70er-Jahren erinnert, der kennt den Effekt: «Mensch, was da alles runterkommt!». 


Normale Reiniger sind zu wenig aggressiv, Felgenreiniger sind eine mögliche Alternative. Bürsten können helfen, aber im Wesentlichen ist die Chemie für die Sauberkeit verantwortlich.

Zu 4.
Es lohnte sich, die Reinigung in mehreren Etappen, d.h. an mehreren Tagen, durchzuführen, da der Dreck im nassen Zustand kaum mehr sichtbar ist. So haben wir in einer dritten Session weitere schmutzige Stellen an Fahrgestell, Bremsen, Halterungen und Leitungen geortet und beseitigt, sowie die Carrosserie gereinigt. Da nach diesem Reinigungsmarathon alles mehr oder weniger fettfrei war, wurden Schrauben, Halterungen und blanke Stellen mit einem Schutzwachs eingesprüht.
In einer vierten Aktion war das Interieur an der Reihe, was Jeannine fast im Alleingang bewältigte. Dort ging es vor allem dem Sahara-Sand aus Tunesien an den Kragen, der sich in jeder Ritze versteckte und festsetzte. Auch Zelt, Fahrradreifen, Wanderschuhe, etc. wollten blitzeblank sauber sein.

Zudem hätte es sich gelohnt, die Räder bereits im Vorfeld abzunehmen — was dann beim Verladen in den Container zu tun war —, denn dort kam nochmals richtiger Schmutz zum Vorschein und musste in aller Eile und ohne Schlauch oder Hochdruckgerät entfernt werden.


Ach, wie hätten wir uns doch das selbstreinigende Auto gewünscht — wir müssen diese Option beim Bestellen übersehen haben!
Nun bleibt nur noch zu hoffen, dass der Herr Inspektor in Melbourne nicht ein weisses Tüchlein über den Finger stülpt und damit in den hintersten Winkeln des Fahrzeugchassis herumbohrt … Die Zeit in der Schweizer Armee war diesbezüglich ein gründlicher Lehrmeister: man findet immer etwas!

Nützliche Links: Eigenes Fahrzeug nach Australien