Mittwoch, 7. Oktober 2015

Daueraufgabe: Reparieren

In Englisch gibt es das Sprichwort

When it rains, it pours.
(wörtlich: wenn es regnet, dann schüttet es). Die beste deutsche Entsprechung lautet wohl:

Ein Unglück kommt selten allein.

Genau so scheint es beim Reisen mit einem 4x4-Wohnmobil zu sein. Bereits im Juni hatten wir in Alice Springs ein paar Tage eingelegt, um viele Kleinigkeiten zu reparieren oder zu verbessern: die zwei gebrochenen Halterungen des Klima-Kondensers, die gerissenen Kühlergrilllaschen, den leckenden Hinterreifen, ausgerissene Schrauben der Türriegel, die unzuverlässige Arretierung des Kühlboxauszugs, die zu lose Verzurrung der Campingstühle, die gebrochene Blinkerfassung, etc.

In Boulia bemerkten wir am 10.9., dass das Abblendlicht beidseitig nicht mehr brennt. (Das hatten wir Anfang Mai in Broome schon einmal gehabt, und hatten eine Sicherung im Verdacht, lernten aber, dass im T-Rex die linke und die rechte Lampe separat abgesichert sind und beide waren i.O. Also musste es der Abblendlichtschalter sein. Das erwies sich als voreiliger Schluss: es waren einfach beide Halogenlampen durchgebrannt. Wie lange waren wir wohl schon “einäugig” resp. “blind” unterwegs gewesen?) In Boulia verschoben wir den Kauf von neuen Halogenlampen auf die nächste richtige Stadt, Roma, zehn Tage und 1400 km später.

Am 11.9. erwachte ich nachts, weil der Kompressor unserer Kühlbox (Waeco CF-35) dauernd lief, wo er normalerweise nur eine bis zwei Minuten surrt. Diagnose: die Kühlbox kühlt nicht mehr. Ab da waren wir regelmässige Kunden an der Pub-Bar und an Tankstellen: “A bag of party ice, please!”. Waeco (resp. Dometic) hat in Australien ein erstaunlich dichtes Servicestellennetz, aber nicht im Outback wo die “Städte” 100 oder 300 Einwohner haben.

Am 14.9. hörten wir in der Simpson Desert ein unregelmässig auftretenden, scharfen, metallischen Schlag im Verteilergetriebe. Es stellte sich nach etwas Beobachtung heraus, dass der Schlag dann auftrat, wenn das Zentraldifferential gesperrt war und unter Last kam (z.B. in engen Kurven auf etwas festerem Sand). Diagnose: der Hydraulik-Druckzylinder der Zentraldifferentialsperre rückt nicht mehr vollständig ein. Die Sofortmassnahme war ein Spannset, die permanente Lösung wird der Ersatz des Druckzylinders oder mindestens der Dichtung sein.


In Roma kauften wir am 18.9. zwei neue Halogenlampen, aber oha!, die alten waren noch gut. Nach zwei Stunden Teile-Ausbauen und Verbindungen-Messen kam Folgendes zum Vorschein:



Das ist einer der drei Stecker der elektr. Steuerung in der Lenkradkonsole, die Licht, Hupe, Scheibenwischer, etc. steuert. Der Pin, der die Versorgung der Abblendung mit Strom sicherstellt, war so heiss geworden, dass der Plastik schmolz; sogar die Kabelhüllen der andere Pins hatten sich verfärbt. Hier musste es kräftig und wohl länger gefunkt haben. (Am Cape York hatten wir einmal angehalten, weil wir einen beissenden Geruch wahrnahmen, konnten die Quelle aber nicht orten und dachten, dass der Motor wohl Russ im (nicht existenten) Partikelfilter abbrennen will, wie wir das auch schon hatten.) Wie kann so etwas passieren? Ich weiss es nicht!

Der Kontaktstift auf der Platine war zwar angelaufen, schien aber i.O. Der Stecker hatte sich allerdings nur mit der grossen Zange abziehen lassen und der fehlbare Kontaktschuh im Stecker war schwarz. Nach einer eingehenden Reinigung schien er wieder zu leiten. So konnte der Fehler nur auf der Platine oder im Abblendlichtschalter selbst sein. Eine gründlichere Untersuchung war notwendig, doch hatte ich gerade nicht die Nerven.

Der entsprechende Kontaktstift ist rot markiert

Neben diesen Ausfällen hatten wir über die vergangenen Wochen bereits mehrere “To-dos” auf die Reparaturliste gesetzt: Hydraulikzylinder für die Hinterachssperre leckt leicht; Dichtungsgummi der Fahrertüre hält nicht mehr; Splinten der Nivellierkeile sind schwergängig; Magnetpumpe der Standheizung fördert zu wenig; Gewindezapfen einer der zwei Katadyn-Filterkartuschen erneut abgebrochen (nachdem wir ihn vor sechs Monaten mit Kunststoffkleber erfolgreich geklebt hatten); Plastikring an unserem Cobb-Grill geschmolzen; ein Magnet des Fliegenvorhangs beginnt auszureissen; Solarventilator stehen geblieben; eine der Haltelaschen unserer Treppe verbogen. Und schliesslich hatten wir die 80’000-km-Marke bereits vor ein paar Wochen überfahren, wo ein grosser Service fällig ist. Deshalb peilten wir Brisbane an, wo es eine IVECO Daily Werkstatt gibt.

Dann kam ein Rettungsengel: Adrian und seine Werkstatt. Adrian und Anna hatten wir 2009 an der Great Ocean Road getroffen. Sie waren 1969 aus dem Züri-Oberland nach Sydney ausgewandert, wo Adrian lange Jahre für Porsche arbeitet. Später zogen sie ins südliche Queensland. Nach ihrer Frühpensionierung genossen sie das Leben an der Gold Coast, ca. 100 km südlich von Brisbane, und “on the road”. Dann, in Alice Springs im Juni, erhielt ich unerwartet eine Email von Adrian: “We saw you passing in your truck today”. Die beiden waren in ihrem IVECO Daily 4x4 auf dem Weg nach Hause. Natürlich trafen wir uns am nächsten Tag, und sie luden uns ein, sie in Gold Coast zu besuchen.


Als ich Adrian von Quilpie aus kontaktierte und schrieb, dass wir in Brisbane einen Service machen und die Kühlbox reparieren lassen mussten, schrieb er postwendend zurück: “I have a workshop where you can stay and we can do the service together. Waeco Headquarters are 20 minutes down the road”. Adrian war nicht überzeugt von der Qualität der IVECO-Vertretung in Brisbane, und da der Motor seines IVECO praktisch baugleich mit unserem ist (EURO5 statt EURO4), hatte er die Erfahrung und alle Werkzeuge, die es für den Service brauchte. Seine Werkstatt war das Paradies.


Auf der Fahrt von Roma nach Gold Coast fügten wir der Reparatur-Liste dann noch einen Schaden dazu: beim Ersetzen der Halogenbirnen in Broome hatte sich eine Gewindehülse der rechten Motorabdeckung aus ihrem Sitz gelöst, doch es ging auch ohne diese Schraube. Bis an jenem Tag, als wir mit 90 km/h bei sehr starkem Seitenwind von rechts (Linksverkehr!) einen Road Train im Abstand von weniger als einen Meter kreuzten. Es gab eine Druckwelle, danach einen enormen Sog. Die Schraube an der vordere Ecke des Deckels blieb standhaft, der Deckel brach aus, kriegte Luft von vorne und klappte nach hinten. Dann riss der Deckel an den vier hinteren Halteschrauben aus— und weg war er. Dank dem Seitenwind purzelte er neben die Strasse, wo wir in ein paar Minuten später bergen konnten, ohne das ein Auto rübergefahren war. Es sah nicht gut aus, denn der Deckel ist aus Kunststoff, und Kunststoffkanten kleben ist so eine Sache …

Die Ausbruchstellen sind rot markiert

Um es kurz zu machen: wir verbrachten drei Tage in Adrians Workshop und konnten die To-Do-Liste fast tilgen. Am Ende bleiben noch die Standheizung und die beiden Hydraulikzylinder. Den grosser Service unter Adrians Anleitung und mit seiner Hilfe auszuführen, war nicht nur lehrreich sondern machte Spass: alle Öle und Filter getauscht (inkl. Luftfilter, den wir 80’000 km mitgetragen hatten und nun nicht mehr ins Ersatzmaterial aufnehmen werden), schmieren (inkl. Schiebstücke der Antriebswellen), Bremsflüssigkeit getauscht, an diversen Stellen das Spiel resp. festen Sitz überprüft, Handbremse nachgestellt, etc.

Alle Öle, alle Filter …

Alter (80'000 km) und neuer Luftfilter

Waeco reparierte die Kühlbox innert 24 Stunden, was eine Kleinigkeit von gut $300 kostete. Nun schätzen wir wieder den Komfort ohne Party-Eis.

In Abendarbeit konnte ich die Verdächtigen für den Ausfall des Abblendlichts entlasten: die Steuerplatine wie auch der Handschalter für das Abblendlicht waren in Ordnung. Auf der Platine befindet sich für jede Steuerfunktion an Licht, Hupe und Scheibenwischer ein kleines Relais. Diese waren alle i.O. Wie stellt man fest, ob ein Relais funktioniert oder nicht, ohne es auszulöten? — Nun, nicht mit letzter Sicherheit, aber man kann den Widerstand der Spule messen (es standen ja genügend Relais zum Vergleich zur Verfügung und der Referenzwiderstand schien 83.5 Ohm zu sein). Wäre ein Kontakt der Spule oder der Draht gebrochen, wäre der Widerstand unendlich gross; wäre die Spule verbrannt, wäre der Isolationslack abgeschmolzen und es läge wohl ein Kurzschluss vor, also nur wenige Ohm — ws wäre schon sehr viel Zufall, wenn der Wiederstand gerade wieder einige Zehntelohm neben dem Referenzwiderstand läge. Dann kann man den Deckel des Relais öffnen, das Relais mit einem kleinen Schraubenzieher von Hand betätigen und die Kontakte ausmessen. Dasselbe für den eigentlichen Handschalter. Es stellte sich am Ende heraus, dass der ausgebrannte Kontaktschuh im blauen Stecker doch keinen Kontakt mehr machte. Da ich keinen identischen Stecker auftreiben konnte, musste ich den Kontakt mit einem neuen Kabel überbrücken. Damit man die Platine weiterhin ohne Löten ausbauen kann, klemmte ich einen Stecker an das neue Kabel und das alte Kabel.




Auch für die Motorabdeckung fand sich eine Lösung (Youtube und ich können fast alles…): der Deckel ist aus ABS Kunststoff. ABS ist ein Thermoplast, lässt sich also erwärmen, neu formen oder schweissen, und wieder abkühlen. Im Bunnings-Baumarkt fand ich Stäbchen aus ABS, die ich mit dem im März neu gekauften Gaslötkolben und Spezialaufsatz schmelzen konnte. Der Aufsatz besteht nur aus gebogenen Blech und hat keine grosse thermische Masse — eine Art kleines Bügeleisen ist, was die Profis verwenden. So war es ein Fingerspitzenspiel und eine Übung in Geduld: ist das Werkzeug zu heiss, verfärbt sich der Kunststoff braun und ist dann wohl nicht mehr ABS; ist es zu wenig heiss, dann schmilz der Kunststoff nicht.

ABS-Stäbchen und Gaslötkolben mit Aufsatz

Ein abgebrochenes Teil von der Rückseite wieder anschmelzen

So liessen sich die abgebrochenen Teilchen auf der Rückseite wieder anschweissen und mit Materialauftrag von den Stäbchen verstärken. Dann verstärkte ich weiter, indem ich kleine Stahlnetzchen (Modell Fliegengitter) auflegte, mit dem heissen Werkzeug eindrückte und mit zusätzlichen ABS zudeckte. Bei der Reparatur schmelzen die ehemaligen Bruchstellen aber nicht bis auf die Vorderseite durch. Hier macht man mit einem zweiten Spezialaufsatz auf der Vorderseite einen Keilschnitt entlang der Naht und füllt die Lücke mit ABS von den Stäbchen auf (fast schon klassisches Schweissen). Das Resultat ist passabel. Es ist wohl unnötig zu sagen, dass Adrian auch das passende Werkzeug hatte, um die fehlende Gewindehülse zu ersetzen. So ist der Deckel jetzt (hoffentlich) wieder tiptop.






Now, we were good to go! Aber es sollte nicht sein: am Vorabend unserer Abfahrt entdeckte ich beim letzten Check, dass die Sikaflexschicht an einer Befestigung unseres zweiten Reservereifens auf dem Führerhausdach eingerissen war. Diagnose: Sikaflex 252 war nur eine teilweise Bindung mit der Roh-Alu-Halterung eingegangen. Wir “profitierten” von der Gelegenheit, gleich beide Halterungen zu entfernen, mit einem Spray-Primer zu behandeln und 15 cm nach hinten zu versetzen. Now, we were good to go!


Ganz herzlichen Dank an Adrian und  Anna für Ihre Gastfreundschaft, for your local knowledge, für all Eure Hilfe und Ratschläge!

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