Freitag, 19. Juni 2015

Pannenfreies Reisen, Teil 2 (Beispiele)


Im Teil 1 hatte ich die Meriten der regelmässigen, vorbeugenden Kontrollen beschrieben. Dass diese nicht nur Paranoia sind, beweisen die folgenden drei Beispiele, die sich innerhalb von vier Wochen ereigneten.

Beispiel 1

Auf der Gibb River Road ergab die tägliche Kontrolle vor Fahrtantritt, dass die Kühlerflüssigkeit auf Stand “Minimum” war. Das war sicher am Vortag noch nicht so gewesen. Nur: wie genau war der Stand am Vortag? Ich wusste es nicht mehr. Lehre daraus: den Normalstand mit einem Stift auf dem Ausgleichsbehälter markieren:

(Bild bereits im Teil 1 gezeigt)

Moderne Kühler sind nicht einfach mit Leitungswasser gefüllt, sondern mit einer speziellen Kühlflüssigkeit (beim IVECO Daily Motor sind es 11 Liter). Da ich keinen Ersatz mitführte, füllte ich den halben Liter destilliertes Wasser ein, den unser Betriebsstoffvorrat hergab. Das war einerseits eine ansprechende Idee, andererseits ging damit eine Unterlassung einher: ich hatte nicht sofort nach der Ursache gesucht. Nach 30 km Fahrt und einer Stunde parken war der Stand bereits wieder auf dem Minimum. Ein Blick auf den Boden genügte: nass. Von dort ging die Suche nach oben. Wo war das Leck? Dank Pauls kompetenter Hilfe konnten wir es lokalisieren. Mehl auf den Kühler streuen war Fehlanzeige; die nassen Stellen mit Druckluft trocken zu blasen zeigte, wo die Flüssigkeit austrat.

 Leck (Kreis)

Das Loch erwies sich als feiner Riss zwischen in der obersten Kühlrippe, gleich beim Sammelrohr. Wahrscheinlich verursacht durch Biegekräfte, welche durch die starre Halterung des Kühlers zustande kommen. Zur Reparatur mussten wir die Kühlflüssigkeit teilweise ablassen. Bravo: die Abgasschraube sitzt fast unzugänglich über dem rechten Chassis-Längsträger; ohne Verluste hätten wir so nicht entleeren können. Wir öffneten deshalb eine Schelle am Überdruckschlauch und liessen etwa die Hälfte der Flüssigkeit ab. Löten wäre eine dauerhafte Lösung gewesen, aber die Alulegierung wollte partout den Lötzinn nicht annehmen. So griffen wir am Ende zum Loctite Fuel Tank and Radiator Repair Kit, einem Epoxy-Zweikomponentenkitt, den wir zwischen die Kühlrippen gedrückt haben.

Hat bereits 2’500 weitere Pistenkilometer gehalten, 
der Kühler wird aber bei Gelegenheit in Ruhestand gehen

Ohne periodische Kontrolle hätten wir das Leck erst bemerkt, wenn die Motortemperatur angestiegen und nachdem viel Kühlflüssigkeit verloren gegangen wäre. Eventuell hätten wir nach der Reparatur nicht gleich weiterfahren können, weil wir nicht genügend Ersatzkühlflüssigkeit hätten besorgen können — die nächste Werkstatt lag zwei Autostunden entfernt. Glück im Unglück: der freundliche Ranger im Windjana-Nationalpark schenkte uns unerwartet drei Liter davon …

Beispiel 2

10 Tage später sprach die Routinekontrolle einer bekannten Schwachstelle an: eine Halterung des Kondensators der Klimaanlage (“Klimakühler”) war gebrochen. Auch dieses Teil ist zu starr montiert, sodass übermässige Kräfte auf die Halterungen wirken, Ermüdungsrisse und schliesslich den Bruch der Haltelaschen bewirken. Als kurzfristige Lösung befestigten wir den Kühler mit einem Spanngurt; die abgebrochene Halterung beliessen wir, sie diente als Haltepunkt.


Gebrochene Halterung, Ersatzhalterung aus Alu

Drei der vier Laschen hatte Allrad Christ bereits im letzten August neu geschweisst, doch muss man dazu erstens das Kühlmittel ablassen (Stichwort Treibhausgas), und zweitens wird das Problem durch eine feste Verbindung offensichtlich nicht gelöst, denn der erneute Bruch erfolgte direkt neben der Reparaturschweissnaht. So hiess das das Rezept diesmal: neuer Winkel aus Aluminium, das sich hervorragend mit Sikaflex 252 kleben lässt.

Alte Schweissstelle flachgefeilt, um eine grössere Klebefläche zu erzielen

Geklebt

Ohne periodische Kontrolle hätten wir den Bruch erst bemerkt, wenn alle Halterungen des Klimakühlers gebrochen gewesen wären und der Kühler rumgescheppert hätte — mit dem Risiko, dass er den Wasserkühler beschädigt hätte.

Beispiel 3

Vorgestern Morgen früh stellte ich beim Gang ums Auto fest, dass der linke Hinterreifen einen wesentlich grösseren “Bauch” hatte als der rechte (optische Kontrolle). Das Manometer zeigte 1.5 bar links und 2.0 bar rechts. Das war mir am Vortag nicht aufgefallen. Eingestellt hatten wir den Druck ca. 40 Stunden früher. War die mehrfache optische Kontrolle am Vortag zu oberflächlich oder hat der Reifen über Nacht Druck verloren? (In der Konsequenz müsste man also immer alle vier Reifen mit dem Manometer messen, um Druckverluste festzustellen, denn der Druck verändert sich mit der Temperatur, und Einzelmessergebnisse unter dem Tag wären nicht vergleichbar.) Wo geht die Luft verloren? Zuerst den Reifen auf 2.5 bar aufgepumpt, dann eine leere Scheibenreiniger-Spritzflasche mit Wasser und etwas Geschirrspülmittel aufgefüllt auf den Reifen besprayt, ergab sofort folgendes Bild:

Blasen zeigen gleich an vier Stellen kleine Lecks an — suspekt!

Nach dem Frühstück eine Stunde später hatte der Reifen weniger als 0.1 bar verloren. Massnahme: losfahren und stündlich nachmessen, falls erforderlich wieder aufpumpen. Die Strategie war über die folgenden 700 km teilweise üble Wellblechpiste erfolgreich. Es stellt sich heraus, dass der Reifen porös geworden war, d.h. die Luft findet einen Weg durch das Reifengewebe und das Profil nach aussen. Kurzfristig ist in Alice Springs kein valabler Ersatz vorhanden, sodass der Reifen jetzt mit einem Schlauch bestückt ist. Nun haben die Reifen 70’000 km und werden in Darwin getauscht.

Ohne periodische Kontrolle wären wir mit einem immer weicher werdenden Reifen mit bis zu 80 km/h auf grober Piste gebrettert, was schliesslich zu einem Platten und eventuell zu einer defekten Felge geführt hätte — dieses Felgenmodell gibt's in Australien nirgends als Ersatz …



Donnerstag, 18. Juni 2015

Pannenfreies Reisen, Teil 1

Während es in Mitteleuropa zwar ärgerlich ist und etwas Zeit und Geld kostet, wenn das Auto eine Panne hat, so kann es in extrem entlegenen Gebieten, wie das beim Reisen durch Australien — auch auf den “Highways” — oft der Fall ist, sehr viel Zeit und sehr viel Geld kosten. Es ist nicht ungewöhnlich, dass man 700 km von der nächsten grösseren Ortschaft entfernt ist, wo es Werkstätten gibt, die auch grössere Schäden reparieren können. Es kann unter Umständen es mehrere Wochen dauern, bis ein spezifisches Ersatzteil (z.B. eine Windschutzscheibe aus Europa) vor Ort eintrifft. Oder es kann viele Tausend Dollars kosten, wenn das Fahrzeug geborgen werden muss, weil es nicht abgeschleppt werden kann (z.B. weil innert nützlicher Frist kein Ersatzreifen in der erforderlichen Dimension LT 315/75 R16 verfügbar ist).

Als Panne verstehe ich im Folgenden, wenn das Fahrzeug einer Reparatur bedarf, bevor es selbständig weiterfahren kann.


Um Pannen zu vermeiden, lohnt es sich deshalb,
  • materialschonend zu fahren, damit keine unnötigen Schäden auftreten
  • häufig vorbeugend zu kontrollieren, denn je früher ein Problem erkannt wird, desto einfacher, rascher und billiger ist in der Regel die Lösung. Der Merksatz heisst hier:

    Stop the noise … before it stops you!

Was ist materialschonendes Fahren?

Hier geht es mir vor allem um Reifen und Fahrwerk bei Fahrten im Gelände:
  • Reifendruck dem Gelände und dem Fahrzeuggewicht anpassen
  • Geschwindigkeit dem Reifendruck, dem Gelände und möglichen Begegnungen mit Tieren anpassen
  • Scharfen Steinen, Wurzeln und Holzstücken ausweichen, resp. abbremsen
  • Schwierige Passagen zuerst zu Fuss ablaufen, evt. den Track etwas verbessern; “im Zweifel Gas geben” ist selten ein guter Rat
  • Jede Stunde 5-10 Minuten Marschhalt einlegen (siehe unten)
Überraschende Begegnung — so schnell geht's
(Originalpost)

Speziell bei Fahrten auf groben Pisten oder Wellblech gilt:
  • Reifendruck ca. 1.8 bis 2.1 bar (gemessen bei kalten Reifen)
  • Geschwindigkeit max. 60 bis 80 km/h

Was soll man aber wann kontrollieren?

Hier sind unsere Checklisten (andere Reisende mit anderen Fahrzeugen haben andere Checklisten):

Täglich vor Fahrtantritt:
  • Öl (Stand)
  • Kühlflüssigkeit (Stand)
  • Bremsflüssigkeit (Stand)
  • Scheibenwaschflüssigkeit (Stand)
  • Schläuche und Rohre im Motorenraum (Scheuerstellen, Abrieb, Ölspritzer, Risse, Quetschungen, fester Sitz von Schellen)
  • Antriebsriemen (Straffheit, Risse, Abnutzung)
  • Halterungen (fester Sitz, Risse), z.B. Klimakühler, Motorhaube

Tipp: Normalfüllstände (Kühlflüssigkeit, Bremsflüssigkeit, etc.) mit einem Stift auf dem Expansionsgefäss markieren, sodass Abweichungen leicht ersichtlich sind.


Vor Fahrtantritt und bei jedem Marschhalt: ein Rundgang ums Fahrzeug (“kick the tyres”):
  • Reifen (Druck, Seitenwände, Profilzustand, gleichmässige Abnutzung, keine Reibspuren am Chassis, o.ä.), inkl. Reserverad
  • Blick unters Fahrzeug:
  • ist alles noch dran? (Radmuttern, Kanister, Lampen, Reserverad, Gepäckträger, Antennen, etc.)
  • ist nichts dran, was nicht da sein sollte? (Gras, Äste, Tiere, etc.)
  • hängt nichts runter, was nicht soll?
  • tropft nichts, läuft nichts aus? (Tropfen oder Lachen auf dem Boden)
  • stinkt, raucht nichts?
  • scheppert, streift, quietscht nichts? runder Lauf? (bei laufendem Motor und offener Motorhaube)

Tipp: Grundsätzlich machen wir auf schlechten Strassen ca. jede Stunde Marschhalt. Zum Einen ist danach die Konzentration wieder besser, zum Anderen machen wir den oben beschriebenen Rundgang, damit wir Probleme früh erkennen können. Es ist auch gut, beim Fahren von Zeit zu Zeit einmal das Fenster zu öffnen und auf unerwartete Geräusche zu achten (scheppern, reiben, schleifen, etc.).

Weitere periodische Kontrollen
Dann gibt es noch weitere Kontrollen, die alle paar Tage oder nach langen Etappen durchzuführen sind (man muss ja nicht alle aufs Mal durchführen, sondern heute ein paar, morgen ein paar, usw. bis man wieder vorne beginnt):
  • Licht, Horn (Funktion)
  • Batterie (fester Sitz, Spannung, Säurestand, Anschlüsse fest und nicht korrodiert)
  • Warnleuchten (Funktion: Zündung einschalten ohne Motor zu starten)
  • Separ-Filter (Wasser, Schmutz, feste Partikel; eine Stunde nach dem Tanken)
  • Kupplungsflüssigkeit (Stand)
  • Lenkflüssigkeit (Stand)
  • Hydraulik- und Bremsleitungen (Zustand, keine Lecks)
  • Antriebswellen (kein Spiel)
  • Stossdämpfer (kein Leck; Zustand), Blattfedern, Gummiaugen der Blattfedern (Zustand)
  • Steuerung (kein Spiel)
  • Spurstange (Zustand: nicht verkrümmt)Auspuff (Gummilager, Risse, Löcher)
  • Tanks (fester Sitz, keine Lecks)
  • Bolzen, Muttern, Schrauben (fester Sitz)
  • Türscharniere und -schlösser (kein Spiel)
  • Nummernschild, Lampen, Kotschütze, Gepäckträger, Reserveradträger, Bidonhalter (fester Sitz)

Tipp: Oft hilft es, mit weisser Farbe eine Kontrollmarkierung anzubringen, sodass man optisch sofort sieht, wenn sich z.B. eine Mutter gelöst hat. 



Und schliesslich schreibt auch die Wartungsanleitung noch regelmässige Kontrollen vor, die ich hier nicht im Detail aufführe.


Im Teil 2 sind einige Fälle dokumentiert, wo wir durch regelmässige Kontrollen zukünftige Pannen vermeiden konnten.