Dienstag, 31. März 2015

Chronologie einer Elektrikpanne

Reisen bedeutet für mich immer auch lesen. Und welch bessere Lektüre als «Zen and the Art of Motorcycle Maintenance» (zum zweiten Mal)? 


Dazu muss man sagen, dass das Motorrad (und eine Reise damit quer durch die USA) für den Autor Robert M. Pirsig buchstäblich nur das Vehikel ist, um seine Gedanken zum Leser zu transportieren, denn «Zen und die Kunst, ein Motorrad zu warten» ist im Grunde ein philosophisches Buch — und erst noch das meist verkaufte überhaupt.
Es ist aber über weite Strecken ein sehr praktisches Buch, das u.a. erklärt, was die Voraussetzungen sind, damit man qualitativ gute Arbeit leisten kann, und wie man komplexe Probleme systematisch löst.
Der Hauptteil des Buches, das muss auch gesagt sein, beschäftigt sich mit dem unterschiedlichen Qualitätsverständnis und mit der Technikaffinität von Leuten und Berufsgruppen, sowie mit der schwierigen Vergangenheit des Autors. Und damit, wie ein gemeinsamer Werte- und Qualitätsansatz aussehen könnte.

Am 1. März — das Buch war noch nicht zur Hälfte gelesen — hatte ich wohl aufgrund höherer Fügung Gelegenheit, das Gelernte anzuwenden. Mit einigem Erfolg!

Es geht aber im Weiteren hie nicht darum, eine heroische Buschreparatur zu schildern, sondern darum aufzuzeigen, wie auch ein Laie mit den richtigen Hilfsmitteln, mit Systematik und einigem Beharrungsvermögen ein ziemlich gut verstecktes Elektrikproblem entdecken und reparieren kann. Und ich möchte auch aufzeigen, dass ein "Fachmann", der nicht mit dem Fahrzeug vertraut ist, die Ursache vielleicht auch nicht rascher gefunden hätte.

Vorauszuschicken ist, dass ich das Problem vor allem deshalb überhaupt systematisch lokalisiert konnte, weil es sich um ein dauerhaftes Versagen einer bestimmten Komponente resp. Stelle handelte. Probleme, die nur vorübergehend auftreten — und sich natürlich immer dann, wenn man genau hinschaut, nicht manifestieren — sind auch für den Fachmann oft kaum lösbar. Seit Juli 2014 leuchtete z.B. die ABS-Warnleuchte, dann war sie wieder aus und wieder an und nach der hier beschriebenen Reparatur war sie wieder aus; es dauerte noch zwei Wochen, bis ich feststellte, dass die Sicherung korrodiert war. In diesem Sinn muss man froh sein, wenn etwas zu einem Zeitpunkt einfach kaputt geht und definitiv aufhört zu funktionieren.

Der besseren Übersicht halber führe ich hier schon einmal alle Dokumente auf, die ich während der Analyse und Reparatur konsultieren musste:

[1] Bremach T-Rex Handbuch
[2] IVECO Daily Reparaturanleitung Mechanisch, Elektrisch/Elektronisch (F1C Euro4)
[3] Kraftfahrzeugtechnik, Westermann-Verlag, ISBN 978-3-14-23 1800-4
[4] Kfz-Elektrik von Kasedorf und Koch, Vogel-Verlag, ISBN 978-3-8343-3098-7
[5] Bremach T-Rex Elektroplan

(Ein Problem des T-Rex Elektroplans ist, dass alle Bezeichungen italienisch sind. Da muss man besser früher als später die Hausaufgaben machen und die Begriffe übersetzen).


Die Chronologie ist in vier Teile gegliedert:

1 — Panne
2 — Systematische Fehlersuche
3 — Fehlerbehebung
4 — “Postoperative” Analyse

Innes Nationalpark (Südaustralien)

Teil 1 — Die Panne

12:20  Nach einer Wanderung zum Royston Head im Innes Nationalpark (Südaustralien) fahren wir zur Browns Beach, ca. 5 km.

13:10  Abfahrt von Browns Beach nach Inneston über eine nur mässig schlechte Schotterpiste.

13:30  Halt beim Deep Lake, einem Salzsee mit sehr interessanten, schneeartigen Kristallen.

13:40  Einsteigen, Zündschlüssel auf Position 1, warten bis alle Kontrolleuchten erlöscht sind.

13:40  Zündschlüssel auf Position 2, «Starten», drehen. Wider Erwarten bleibt alles still. Überraschung!

13:41  Zündschlüssel auf «Aus«, nochmals das Prozedere: Alles bleibt still. Nicht einmal ein “Klack” vom Starter.

13:42  Kontrolle der Batteriespannung: 12.7 Volt, alles i.O. Diesel: 60% voll

13:42  Zündschlüssel auf «Aus«, nochmals das Prozedere: Alles bleibt still. Nachdenken. Betriebshandbuch zücken.

13:46  Zündschlüssel auf «Aus«, alle Sicherungen kontrollieren.

13:51  Sicherung Nr. 11 ist defekt, ist aber nur die “Dieselheizung”. Ersetzen.

13:54  Nochmals das Startprozedere: Nix. Totenstille.

13:57  OBD-Fehlerspeicher mit diesem Gerät auslesen. Keine gespeicherten Fehler.

14:01  Starterrelais (Nr. 1) rausziehen und mit dem Multimeter durchmessen: Spulenwiderstand: ca. 60 Ohm, Schaltkontakt ist offen (unendlich Ohm). Es ist mir gerade nicht einfach möglich zu testen, ob das ausgebaute Relais beim Anlegen von 12 V schaltet. Deshalb dieser Test: Zündung auf Position 1 ohne das Relais. Bordcomputer meldet: «keine Kommunikation mit EDC» Aha, das Relais scheint also seinen Dienst zu tun, ist aber nicht fürs Starten selbst, wie man aus dem Betriebshandbuch (Bezeichung «Starterrelais») denken könnte, sondern nur für Klemme +15 verantwortlich. 

Bemerkung: «Klemme +15» oder «Klemme 15» ist eine Konvention in der Automobilelektrik und bedeutet nicht +15 Volt sondern bezeichnet denjenigen Teil der Spannungsversorgung mit +12 V, der nur aktiv ist, während die Zündung in Position 1 eingeschaltet ist.
«Klemme 30» ist Dauerspannung +12 V, d.h. sie liegt immer an unabhängig von der Position des Zündschlüssels.
«Klemme 50» ist +12 V, die während dem Drehen des Zündschlosses auf Position 2 aktiviert sind.
«Klemme 58» ist +12 V, die nur bei eingeschaltetem Fahrlicht anliegen. 

Mit dem Multimeter kann man u.a. Spannungen, Ströme oder Widerstände messen.

14:04  Servicerelais (Nr. 2) ausmessen. Scheint i.O.

Teil 2 — Die systematische Fehlersuche

14:05  Ok, die ersten, schnellen Tests haben also kein Ergebnis gebracht. Gut, habe ich «Zen and the Art of Motorcycle Maintenance» gelesen, denn jetzt ist die Zeit gekommen, die Fehlersuche von Grund auf und systematisch anzugehen, sonst wird man von der Natur übertölpelt, zieht falsche Schlüsse und verstrickt sich in der Komplexität. Dazu muss ein etwas mächtigeres Instrument ran: die formelle wissenschaftliche Methode. Pirsig sagt dazu: «… a huge bulldozer—slow, tedious, lumbering, laborious, but invincible. It may take twice as long, five times as long as informal mechanic’s techniques, but you know in the end you’re going to get it». 

So geht die Methode:
  1. Formulierung des Problems (meist eine “Warum …?”-Frage)
  2. Formulierung der Hypothese, was die Ursache des Problems sein könnte
  3. Ausdenken eines Experiments, das die Hypothese schlüssig beweist oder widerlegt
  4. Voraussage, was das Resultat des Experiments sein soll
  5. Durchführung des Experiments mit Messungen und Beobachtungen als Resultat
  6. Vergleich des Resulats aus dem Experiment (5.) mit den erwarteten Resultat (4.).
  7. Falls das Problem nicht gefunden resp. behoben ist, zurück zu 1. oder 2.
Bei der Formulierung des Problems  ist der oberste Grundsatz, dass man auf gar keinen Fall Annahmen trifft, die man nicht 100% schlüssig und eindeutig bewiesen hat. Vermutungn darf man hier keine anstellen! Es ist besser zu fragen, “Warum startet der Motor nicht?”, als “Warum funktioniert der Anlasser nicht?”, wenn man nicht 100% sicher ist, dass es tatsächlich der Anlasser ist. Hier kommt es auf das exakte Beobachten des Problems an.

Die Formulierung der Hypothese kann für den Laien schwierig sein, weil er über zu wenig Fachwissen oder Sachkenntnis verfügt. In vorliegenden Fall muss man nämlich wissen, dass
  • der Motor über den Startermotor (auch bekannt als Anlasser, Starter) gestartet wird
  • der Zündstrom (das können beim Bremach 400 Ampère oder mehr sein) nicht direkt über das Zündschloss läuft
  • das Zünschloss nur ein Signal an den Magnetschalter des Starters liefert, sodass der Magnetschalter dann den eigentlichen Startermotor einschaltet
  • der Magnetschalter, wenn er Strom erhält, mindestens ein “Klack” von sich gibt, auch wenn der Startermotor danach nicht anläuft.

Woher soll man all das wissen? – Nun, man muss es nicht wissen, man muss nur wissen, wo nachlesen. Ich erkläre es weiter unten.

Also:
  1. Formulierung des Problems.
    “Warum macht der Starter kein Geräusch, obwohl genügend Batteriespannung und Diesel; alle relevanten Sicherungen i.O; Relais 1 und 2 i.O. ?”
  2. Formulierung der Hypothese Nr. 1:
    “Starter erhält kein Signal vom Zündschloss”
  3. Design eines Experiments:
    “Zündschlüssel drehen von …”.
14:05  Ich komme noch nicht zum ersten Experiment, weil jetzt ein 4x4-Fahrzeug mit Bootsanhänger angehalten hat. Die üblichen Fragen: Batterie leer? Dieselmotor? Genügend Diesel? Ist dies ein Hauptschalter? Schalte den mal für 10 Sekunden ab. Leider hilft alles nix. Ich schildere meine Vermutung, dass der Anlasser keinen Startimpuls kriegt. Ist der Motor noch warm? — Ja.

14:10  Wir versuchen zu dritt, den Bremach anzuschieben (3. Gang), während Jeannine am Steuer sitzt, die Zündung in Position 1 hat und die Kupplung drückt. Nach 10 Metern schieben schreit einer der Helfer: “Kupplung loslassen”. Plop–Plop–Plop. Motor startet nicht. Der Helfer meint: “wenn ein warmer Dieselmotor nicht sofort anspringt, dann ist dort etwas defekt”. Trotzdem danke. Die beiden gehen.

14:20  Wir haben beschlossen, dass wir nicht hier am Strassenrand weiter nach dem Problem suchen wollen und lassen uns von zwei Jungs in einem 4WD ins Visitor Center (gut 10 km) abschleppen. Bergegurt haben wir. Wir geben den beiden eines unserer Walkie-Talkies, damit wir uns während der Fahrt absprechen können. Die lange Steigung gehen wir mit fast 60 km/h an, oben haben wir noch knapp 40. Die beiden machen ihre Arbeit gut. Leider haben wir kein Bier für sie, Geld wollen sie nicht.


15:00  Wir stehen auf einem geteerten Parkstreifen für Busse vor dem Visitor Center. Es ist Sonntag, Marion Bay, der nächste, leider kleine Ort, 50 km entfernt. Zuerst jetzt etwas essen. Auch einer von Pirsigs Tipps: nichts überstürzen. Die australische Version dazu ist: "Boil the Billy" (gemeint ist: einen Kessel Wasser für Tee ansetzen).

Ich verstosse dann vorerst gegen Pirsigs Hinweis, «keep a lab notebook», aber ich kann gerade nicht die Energie dafür aufbringen. Natürlich weiss ich kurze Zeit später nicht mehr, ob Sicherung 11 oder 21 defekt war — das hätte ich jetzt bei gewissenhafter Arbeit im empfohlenen Laborjournal nachlesen können. Ab sofort wird aufgezeichnet und aufgeschrieben.

15:30  Das Experiment zu Hypothese 1: “Zündschlüssel von Position 1 auf Position 2 drehen und messen, ob das Startsignal beim Anlasser ankommt”. Aber sogleich Zweifel: ist das “Signal” eine Spannungsanstieg (z.B. von 0 V auf 12 V) oder ein Abfall (von 12 V auf 0 V)? Es gibt also vorerst kein erwartetes Resultat (Punkt 4) — zuerst messen. Ähem, wo sitzt eigentlich der Starter? Das iPad, resp. [2], zeigt verschiedenste Ansichten des Motors, aus denen man den Starter erahnen kann: er ist auf der Innenseite des linken Vorderrades. 

Klick aufs Bild!
Blick unters Fahrzeug: am Starter gibt es ein dickes rotes Kabel (direkt von der Batterie), ein dünneres, weisses Kabel und ein Masseband (kaum sichtbar, rechts vom weissen Kabel).

Leider komme ich mit meinen Messsonden nicht gleichzeitig zum weissen und zum roten Kabel. Linkes Vorderrad entfernen, Gummiabdeckungen dahinter entfernen.


Wie funktioniert ein Starter? Auch hier weiss [2] (S. 1274) Rat: Auf dem Startermotor sitzt ein Magnetkontakt mit Einrücker, der über Klemme 50 (siehe oben) geschaltet wird. Wir haben also beim weissen Kabel mit einem Spannungsanstieg von 0 V auf 12 V zu rechnen (Punkt 4: erwartetes Resultat des Experiments). Klemme 30 ist dann der eigentliche Startstrom von der Batterie; das muss ein dickes Kabel sein, denn dieser kann, wie erwähnt, bis 400 A betragen.


Wie ein Starter im Allgemeinen funktioniert, kann man z.B. bei [3] oder [4] nachlesen, die ich auch als PDF mit mir trage. Aber zugegeben, wenn man dort überliest resp. nicht weiss, dass ein Anlasser zuerst “Klack” und erst dann “wihihihi” macht, dann wäre Hypothese 1 wohl eher gewesen: “Starter ist defekt”. Aber so lag es nahe, dass der Starter nicht einmal ein Signal erhält, das Problem also vor dem Starter zu suchen ist. Eine alternative und einfach zu überprüfende Hypothese wäre gewesen: “Masseverbindung zum Starter ist unterbrochen”.

16:00  Der Parkranger kommt vorbei, mit dem wir gestern Morgen länger gesprochen hatten. Er gibt uns die Telefonnummer von Tom, einem Mechaniker 15 km weiter, und vom RAC, dem nationalen Pannendienst. Sollen wir den Sonntagnachmittag von Tom stören? Kann er uns überhaupt weiterhelfen? Mit Sicherheit kennt er die T-Rex-Elektrik nicht. Vielleicht hat er schon mal einen IVECO Daily gesehen … Besser, wir machen uns zuerst selbst schlau.

16:10 Die Ruhespannung zwischen dem weissen Kabel und dem Massekabel ist 0 V. Zündung auf Position 2: immer noch 0 V. Die Hypothese ist bewiesen: das Startsignal vom Zündschlüssel kommt nicht zum Anlasser. Gibt es ein elektrisches oder elektronisches Bauteil zwischen Zündschloss und Anlasser? Längeres Studium des T-Rex-Elektroplans [5] auf dem iPad.

17:00  Erkenntnisse aus dem Elektroplan, S. 1 und 2: Das Kabel an den Starter ist gemäss Elektroplan weiss, mit «2301» nummeriert und 2.5mm2 dick. Stimmt! Und es gibt keine weiteren Bauteile zwischen Zündschloss und Starter ausser dem 48-poligen Stecker, der im Beifahrerfussraum durch die Bordwand in den Motorenraum führt. 

17:20  Hypothese Nr. 2: “die elektr. Leitung 2301 zum Starter ist unterbrochen”. Das Experiment dazu: den elektrischen Widerstand von Zündschlossschalter und Kabel messen; der sollte fast 0 Ohm sein. Dazu muss das Zündschloss freigelegt und deshalb die Plastikabdeckung unter der Steuersäule entfernt werden. Die drei Schrauben sind einfach, aber das Teil ist mit der obern Abdeckung zusammengesteckt und lässt sich nicht abnehmen. Mir kommen Zweifel, ob ich auf dem richtigen Weg bin. Das Ganze ist sehr beschwerlich. Vielleicht sollte ich mich nicht auf dieses Kabel versteifen, sondern einfach mal überprüfen, ob der Starter funktioniert, denn ein “Startsignal” (12 V) könnte man direkt vom roten, dicken Pluskabel abgreifen (“Autoklauertrick”). Ist es tatsächlich ein +12-Volt-Signal? — Erneutes Studium von Handbüchern und Elektroplan. Es sollten +12 Volt sein, aber ganz sicher bin ich nicht. Ich möchte aber keinen Schaden anrichten, denn ich habe noch nie einen Starter direkt ab der Batterie gespeist.

17:50  Mithilfe eines feinen Schraubenziehers lässt sich der Steckmechanismus doch noch öffnen. Alle Kabel enden hinter dem Tacho. Diese Einheit muss ebenfalls entfernt werden.


18:30  Der Stecker zur Zünschlosseinheit ist gefunden. Wie ist das Zündschloss geschaltet? Das Schaltschema ist in [2] (S. 1276) zu finden.


19:00  Hypothese 2.1: Der Zündschlossschalter ist defekt. Experiment 2.1: Durchmessen des Schalters: stimmt mit dem Schema überein! Hypothese 2.1 ist falsch, d.h. der Schalter ist i.O.

19:20  Hypothese 2.2: Das Kabel 2301 zwischen Zündschlossschalter ist defekt. Experiment Nr. 2.2: Das Kabel 2301 ausmessen, d.h. den ohm’schen Widerstand des Kabels vom Stecker beim Zündschloss zum Ende beim Anlasser messen, er ist im Normalfall praktisch null (erwartetes Resultat). Die Messung ergibt unendlichen Widerstand, d.h. es gibt einen Unterbruch im der Leitung. Hypothese bewiesen. Oder etwa doch nicht? — Habe ich wirklich das richtige Kabel vor mir? Erneutes Studium des Elektrikplans. Ausser der Plan ist falsch, habe ich das richtige Kabel gemessen.

19:30  Wo ist das Kabel unterbrochen? Beim 48-poligen Stecker im Beifahrerfussraum ist es ohne weitere Demontage sichtbar. Mit einer Stecknadel steche ich das weisse Kabel an und messe den Widerstand zum Ende beim Zündschloss: Pieps! — Das Kabel ist so weit o.k. Als nächstes entferne ich die Kunststoffseitenabdeckung über dem rechten Kotflügel, um an den 48-poligen Stecker zu kommen.

20:00  Ich kann den Stecker nicht abziehen, weil ich den Drehring nicht drehen kann (ist es überhaupt ein Drehring?). Nur die Kabelbefestigung am Ende lässt sich entfernen. Mir kommen erneut Zweifel, ob ich auf dem richtigen Weg bin. Es wird dunkel. Jeannine hat im Cobb-Ofen Pizzas gebacken. Was für ein Segen!

20:40  Wir beschliessen, für heute Feierabend zu machen. Natürlich kann ich nicht einfach dasitzen. Detailstudium von Handbüchern und Elektroplan. Besseres Verständnis des Zündschlossschalters und dessen Abbildung auf die Kabel im Bremach-Kabelbaum.


Der Zündschlossstecker aus dem T-Rex-Elektroschema.

Das Laborjournal

23:00  Mail an Harry: “Harry, kann man das dünne weisse Kabel 2301 am Starter entfernen und den Punkt dafür direkt mit dem Pluspol der Batterie verbinden?” Gute Nacht.

08:00  Harry, der gute Engel, hat geantwortet: ja, kann man, Das ist der “Autoklauertrick”. Aber bloss nicht dranlassen, nachdem der Motor läuft. Jetzt Frühstück.

08:45 Das weisse Kabel vom Starter abklemmen, ein ähnliches 20 cm langes Kabelstück mit einem Ringkabelschuh versehen und anschliessen. Zündung auf Position 1, warten bis alle Kontrolllampen verlöscht sind. Zündung auf Position 2 halten: nix, gut so! Jetzt das freie Kabelende ans rote, dicke Kabel halten. Funken—Klack—Wihihihi–Wrummm! Motor läuft. Der Starter ist also o.k., das dicke rote Kabel und das Masseband auch.

09:00 Weiter auf die Suche nach dem Unterbruch im Kabel. Im Elektroplan gefunden, dass es noch ein weiteres Kabelstück  “2301” zwischen Starter und der Gegend des Alternators gibt. Gefunden! Stecker lösen. Zwischenstück ausmessen: leitet. Der Fehler muss also zwischen dem Beifahrerfussraum und dem Stecker beim Alternator sein. Leider sind die Platzverhältnisse dort sehr eng.

Widerstandsmessung eines Kabels (Ende mit Stecker)

Den 48-poligen Stecker hätte ich gerne offen! Aber das ging gestern nicht. Ich löse alle Kabelbinder des Rippenrohrs, dass hoch zum 48-poligen Stecker führt. Wie kann es nur sein, dass ein Kabel in diesem Rippenrohr brechen kann?

10:15  Erneut den 48-poligen Stecker inspiziert. Die Überwurfmutter zur Fixierung des Steckers wurde mal mit schwarzem Dichtungskleber zugepappt. Kleber mit dem Schraubenzieher entfernen. Jetzt lässt sich die Mutter drehen, und schließlich der Stecker abziehen und öffnen.


10:45  Im Innern des Steckers befinden sich 47 Stifte, an die die Kabel angelötet und mit Schrumpfschläuchen voneinander isoliert sind. Hier ist das weisse Kabel 2301, Pol 23. Rüttel-rüttel — es kommt frei. HURRA, GEFUNDEN!



Teil 3 — Die Fehlerbehebung

11:00  Ich stelle aber bald fest, dass ich diese Lötstelle mit meinem kleinen Gaslötkolben nicht werde repararieren können, da dieser nicht genügend Hitzer entwickelt, um im Freien bei ganz wenig Wind ein 2.5mm2-Kabel an einen ebenso dicken Stift anzulöten. Ich probiere es trotzdem, Jeannine ist die dritte Hand, die einem beim Löten immer fehlt. 

Gaslötkolben, der mit Feuerzeuggas betrieben wird

11:30  Es geht nicht. Im besten Fall bringe ich einen “kalte Lötstelle” zustande, die dann bei der nächsten Gelegenheit abermals bricht. Das war’s also. Eigentlich haben wir alles richtig gemacht und alles benötige Werkzeug dabei, aber das Kabel ist zu dick. Sch….! Nun gut, immerhin ist jetzt Montag, wir können den Motor mit dem “Autoklauertrick” starten und dann die 15 km zu dem Mechaniker fahren. Beginnen wir mit zusammensetzen.

12:30  Der Ranger vom Vortag kommt vorbei und staunt, dass wir diesen Fehler finden konnten. Er offeriert uns die Werkstatt des Nationalparks um die Ecke, wo es einen Lötkolben gibt. Wir setzen zusammen, was bereits möglich ist, dann starten wir den Motor am Pol 23 des 48-poligen Steckers und fahren hin.

14:00  Der Lötkolben ist alt und seine Spitze korrodiert, aber das lässt sich beheben. Das Löten klappt (fast) auf Anhieb, obwohl es ziemlich tricky ist, mit der dicken Spitze zwischen den anderen Polen zu löten. Schrumpfschlauch schrumpfen, Stecker rein. Motor marsch!



15:30  Alles wieder zusammengesetzt. Abfahrt. Ufff! Jetzt mal an den Strand und ausruhen!

Teil 4 — Die “postoperative” Analyse

Was lerne ich daraus:

  1. «… a huge bulldozer—slow, tedious, lumbering, laborious, but invincible. It may take twice as long, five times as long as informal mechanic’s techniques, but you know in the end you’re going to get it». Danke Herr Pirsig. Es hat sich gelohnt, sorgfältig und systematisch vorzugehen und mehrmals sicherzustellen, dass nur Fakten und keine Annahmen in die Problemformulierung flossen. Das Laborjournal ist eine sehr nützliche Idee.
  2. Ohne T-Rex-Handbuch, T-Rex-Elektroplan oder IVECO Daily Reparaturanleitung hätte ich keine Chance gehabt. Ein Autoelektriker auch nicht.
  3. Gut, dass ich bereits wusste, wie man den Elektroplan (mit deutschen Begriffen!) liest.
  4. Ohne Multimeter, vernünftige Werkzeuge, Ersatzmaterial (Sicherungen, Kabel, Kabelschuhe, etc.) wäre das Problem nicht zu lokalisieren oder zu beheben gewesen.
  5. Kabel brechen nicht so einfach irgendwo in der Mitte. Zu Unterbrüchen kommt es durch Bruch oder Korrosion an Übergängen, sprich Steckern, Schaltern, Kabelschuhen, Lötstellen, etc. Zuerst hier suchen bevor man am Kabel selbst zweifelt.
  6. Ein stärkerer Lötkolben muss her. Voilà, ist mittlerweile geschehen:

    Gaslötkolben 25 bis 125 Watt

  7. Die Aussage, dass man ein warmer Dieselmotor bei ersten Takt startet, ist falsch. Wir haben es mit anrollen lassen auf einer leicht abwärts geneigten Strasse getestet: kein Problem. Wir hatten einfach zu wenig stark angeschoben. Siehe dazu den Nachtrag, unten.
  8. Wir hätten uns nicht abschleppen lassen müssen. Mit dem Autoklauertrick wären wir von selbst wieder mobil geworden und hätten so beliebig lange fahren können.

Nachtrag 18.4.2015: Starten von Dieselmotoren

(Danke an Ozy für diesen Hinweis)

Alte, mechanische Diesel können sehr wohl auf die erste Zündung laufen, da reicht ein "Schlag" und er läuft.

Bei Common-Rail-Motoren ist das nicht mehr so: der Motor muss zwingend mehrere Umdrehungen laufen, damit die EDC (elektron. Steuerung) sämtliche Sensoren und Systeme prüfen kann. Erst dann werden die Injektoren freigegeben, die dann Diesel in die Zylinder einspritzen. Ausserdem braucht es 200 bar im Rail; wird dieser Wert nicht erreicht, wird ebenfalls nicht eingespritzt.

In dem Zusammenhang kann es durchaus sein, dass sich Common-Rail-Motor per Anlasser nicht mehr starten lässt (Druck), aber per Anschieben / Anrollen-Lassen einwandfrei startet.

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