Dienstag, 27. September 2011

Beinhart

Erich Christ hatte mich vorgewarnt, es würde keine sehr vergnügliche Fahrt werden, und hatte vorsorglich die hinteren Reifen nur mit 1.8 bar befüllt. Aber es nützte alles nichts, als ich am nebligen Morgen des 27. Oktober 2009 unseren T-Rex — nur das Reserverad auf dem nackten Chassis — zu Ormocar ins Saarland fuhr. Plötzlich wechselte der Autobahnbelag von Asphalt zu Betonplatten, und im Sekundentakt erhielt Schläge auf den Hinterkopf. Die Hinterräder hüpften wie ein Ball von Platte zu Platte. "Werner, beinhart!" war das einzige, was ich noch denken konnte.


Das Fahrzeug war damals ca. 2500 kg schwer, wovon nur ca. 900 kg an der Hinterachse, vorne pro Seite mit zwei und hinten mit je vier Blattfedern bestückt.

Einen Monat später, mit dem neuen Aufbau und gut 500 kg schwerer, hatte sich die Situation nur wenig verbessert. Noch bevor das Auto seine Reise nach Australien antrat, liess ich hinten beidseitig eine Blattfeder entfernen. Man kann aber die Federblätter nicht einfach wegnehmen, weil sonst die Klammern, die die Federpakete zusammenhalten, zu lang werden. Allrad Christ ersetzt die Federn durch Distanzplatten gleicher Dicke aus Stahl. Die von mir beauftragte Werkstatt flexte ratzfatz die ungewollten Enden ab, was funktionell kein Nachteil war.


Das brachte etwas Linderung, speziell wenn das Fahrzeug fürs australische Outback aufgetankt und vollgeladen war und wohl gegen 3700 kg wog (inklusive Besatzung und tutti quanti). Komfortabel waren vor allem Bodenwellen dennoch nicht, und auf felsigem Untergrund wurde manifest, dass die immer noch zu hart abgestimmte Federung — zusammen mit dem verwindungssteifen Chassis — nicht genügend verschränkte. Wie Bodenfreiheit und grosse Räder ist die Verschränkungsfähigkeit eines Geländefahrzeugs hauptbestimmend für dessen Geländegängigkeit. Traditionell haben Landrovers und Jeeps eine sehr hohe Verschränkung, welche dazu führt, dass länger mehr Räder Bodenkontakt haben.


Im Januar nützte ich in South Australia einen besonders felsigen Track, um den effektiv genutzten Federweg unseres Bremach zu bestimmen, indem ich Alufolie um die Gummistopper wickelte, welche den Federweg der Blattfedern begrenzen.

Vorher

Am Ende mass ich, wie stark die Folienrolle zusammengedrückt worden war: hinten 33 mm (max. 83), vorne 55 mm (max. 55).

Nachher

Im Juni diskutierte ich das Problem mit Erich Christ, er wog das Fahrzeug, und wir einigten uns darauf, hinten je ein weiteres Federblatt plus den Wankstabilisator zu entfernen. Allrad Christ baute nun zwei ordentliche Distanzplatten anstelle der fehlenden Federblätter ein.

Vorher

Nachher

Zum einen sparte das 8 kg pro Blatt plus 16 kg für den Stabi, zum anderen sind Komfort wie Verschränkung markant besser geworden. Das Fahrzeug bringt reisefertig mit Fahrer, Beifahrer, halbvollen Tanks (150 Liter Diesel, 40 Liter Wasser) und Lebensmittel für ein langes Wochenende, inkl. Bergematerial und allem, was man so an Ausrüstung dabei hat, ca. 3500 kg auf die Waage, wovon 1830 kg an der Vorderachse und 1670 kg an der Hinterachse. Beim Fahren spürt man, dass der Wagen hinten etwas weicher geworden ist; da die Blattfedern auch gleich die Achsen längs und seitlich führen, ist diese Führung nun etwas weniger rigide. Das ist kein Nachteil, einfach etwas anderes als vorher.

Als ich den T-Rex (Radstand 3100 mm) eine Rampe wie oben abgebildet hochfuhr, musste ich abbrechen, als das Hinterrad auch die Rampe hochklettern wollte. Das Vorderrad war zu diesem Zeitpunkt ca. 40 cm "über dem Boden". Damit bin ich zufrieden!
Ich glaube, nun ist das Fahrwerk für unser Gewicht mal so weit optimiert, wie es ohne den Anbau von Spezialteilen möglich ist. Es scheint, als sei ein hinteres Federblatt auf ca. 500 kg Last ausgelegt.
Für Fahrzeuge, nicht schwerer als unseres, kann ich die Reduktion auf je zwei Federblätter und den Ausbau des Stabilisators empfehlen; für schwerere Fahrzeuge sei unbedingt dazu geraten, Erich Christ oder einen Fahrwerksspezialisten beizuziehen.

Noch etwas: beim Umbau der hinteren Federpakete sassen die Muttern der Federpaket-Briden so fest, dass zwei dieser Klammern brachen. Es ist also vielleicht besser, den Ausbau nicht am Vorabend der nächsten Reise vorzunehmen.

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